Recycling Kraftwerksabgase sollen künftig zu Benzin werden

Deutsche und schottische Forscher entwickeln ein Verfahren, das CO2 in neuen Kraftstoff für Autos und Flugzeuge verwandelt.

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Es gibt nicht wenige Experten und Politiker, die davon ausgehen, dass wir auch in fünfzig Jahren noch Kohlekraftwerke in aller Welt haben. Ihr großer Vorteil: Sie liefern unschlagbar günstigen Strom. Ihr großer Nachteil: Der Kohleabbau zerstört ganze Landstriche und das CO2, das bei der Verbrennung frei wird, heizt den Planeten auf.

Zumindest letzteres Problem versuchen Forscher zu lösen. Eine Möglichkeit ist, das CO2 aus den Rauchgasen im Schornstein der Kraftwerke abzufangen und unter die Erde in Kavernen zu verpressen (Stichwort Carbon Capture and Storage). Aber extrem kaltes flüssiges Kohlendioxid tief in die Erde zu bugsieren ist nicht jedermanns Sache.

Viele Menschen haben Angst, dass es dort nicht bleibt, dass es plötzlich in großen Mengen wieder an die Erdoberfläche quillt. Da dieses Klimagas schwerer ist als Luft, würde es rund um die Ausbruchsstelle allen Sauerstoff verdrängen. Menschen und Tiere würde sterben.

Aber es gibt eine zweite Möglichkeit der CO2-Abtrennung und sie ist viel sinnvoller. Die Nutzung als Rohstoff. Weltweit gibt es unzählige Forschergruppen, die daran arbeiten und  auch schon Erfolg haben, wie das Stuttgarter Unternehmen SolarFuel. Es betreibt eine Anlage, in der aus Wasserstoff und Kohlendioxid synthetisches Erdgas hergestellt wird.

Statt im Whisky landet CO2 im TankAussichtsreich ist auch ein Verfahren, das Fachleute als fotokatalytische Reduktion von Kohlendioxid bezeichnen. Dahinter verbirgt sich die Umwandlung von CO2 mit Hilfe von Wasserstoff in Kohlenmonoxid, aus dem sich brennbare Gase und Treibstoffe aller Art für Autos, Schiffe und Flugzeuge herstellen lassen. Aus einem gefährlichen Treibhausgas wird so ein wertvoller Rohstoff.

Um das Verfahren zur Marktreife zu bringen, liefern sich derzeit deutsche und schottische Forscher ein Wettrennen. Auf der einen Seite steht der Verbund aus der Universität Heidelberg, der Ruhr-Universität Bochum, des Karlsruhe Institut für Technologie, des Stromversorgers EnBW und des Chemiemultis BASF. Sie werden mit 1,18 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt.

Auf der anderen Seite steht der Verbund von Forschern an der Heriot-Watt University in Edinburgh, dem National Center for Catalysis Research in Indien und der Johannes-Kepler-Universtät in Linz. Ihr Etat liegt bei 1,2 Millionen Britischen Pfund (rund 1,38 Millionen Euro).

Das viele Geld brauchen die Forschergruppen auch, denn einfach ist das Verfahren nicht. Den Wasserstoff soll aus Kostengründen schlichtes Wasser liefern. Würde man einfach so Kohlendioxid mit Wasser mixen, entsteht keineswegs ein Chemierohstoff, sondern Sodawasser, wie es zum Whisky getrunken wird. Es fehlen also zwei Zutaten für den Treibstoffcocktail: ein Katalysator, der chemische Reaktionen beschleunigt und eine Energiequelle.

Zweites Leben für CO2Als Katalysator funktioniert preiswertes Titandioxid. Die Ausbeute ist allerdings recht mager. Mehrere Forschergruppen arbeiten mit Rhenium, einem Element, von dem die meisten Menschen noch nie etwas gehört haben. Damit geht es weitaus besser, doch es ist so selten, dass das Kilogramm ein paar 1000 Euro kostet. Die Forschergruppen testen derzeit weitere Materialien.

Aber mit einem Katalysator ist es noch nicht getan. Nötig ist noch eine Energiequelle, die die Reaktion zum Laufen bringt. Die Fotokatalyseforscher setzen auf das Licht der Sonne. Die Lichtteilchen (Fotonen) regen die Moleküle, die miteinander reagieren sollen, energetisch an. In Zusammenarbeit mit dem Katalysator lösen sich aus dem Wasser Wasserstoffatome, die dem Kohlendioxid ein Sauerstoffatom abnehmen, fertig ist das Kohlenmonoxid.

Ziel der Fotokatalyse-Forscher ist es, das Kohlenmonoxid, das sie aus Kohlendioxid gewinnen, in einem zweiten Schritt in Ethanol, Methanol, Benzin, Diesel, Kerosin und Erdgas umzuwandeln. Dazu brauchen sie noch einmal Wasserstoff. Dessen Beschaffung ist unproblematisch und billig. Er lässt sich per Elektrolyse aus überschüssigem Wind- und Solarstrom herstellen.

Wie viel das Verfahren am Ende kostet, ist noch völlig ungewiss. Das CO2 aus dem Kohlekraftwerk hätte aber ein zweites Leben – Öl könnte man dafür im Boden lassen.

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