Innovation Warum Unternehmen Angst vor dem Neuen haben

Vielen Unternehmen fehlt die Innovationsfähigkeit. Sechs Thesen über die Angst vor dem Neuen.

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Von Elmar Schüller. Der Autor leitet als Initiator und Gründer das ILI Innovative Living Institute, eine interdisziplinäre Wissensplattform, die Unternehmen strategisch und operativ berät, weiterbildet und neue Konzepte und Produkte für die Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsformen von morgen entwickelt. Zuvor hat er den renommierten „red dot“ Design Award über viele Jahre als geschäftsführender Gesellschafter mitentwickelt.

Das Schöne an der Liebe ist, dass sich erst nach Abkühlen der ersten heißen Emotionsphase die ersten Einflüsse der Ratio erkennbar machen. Erst diese Melange bildet Chancen zum Heranwachsen einer wahren und großen Liebe.

Auch Innovationen sind letztlich eine Kombination aus rationalen Faktoren und emotionalen Entscheidungen. Das bringt auch immer Risiken in sich. Aber ein Unternehmer hat nur Erfolg, wenn er auch unternimmt. Und Innovationen haben unsere Gesellschaft und Unternehmen dringend nötig bei den Herausforderungen, die in Zukunft warten: Klimawandel, Ressourcenknappheit, Bevölkerungswachstum.

Da aber immer mehr unternehmerische Strukturen daran leiden, dass keiner mehr Entscheidungen treffen kann oder möchte, anbei der "liebevolle" Versuch einer Annäherung, an das Phänomen der Innovationsverweigerung.

1. Die Angst vor dem Misserfolg der InnovationAufgrund von Marktforschung und Expertenmeinungen der Branchenkenner, meinen wir den Erfolg einer Innovation logisch vorher sehen zu können. Aber die Erfahrungen haben uns gelehrt, dass es mehr bedarf als dieser visionären Projektionen, die uns die Sicherheiten gegen das Scheitern geben sollen.

Vielmehr ist der heutige Konsument so Informiert, dass er sehr wohl eine eigene Betrachtung der Produkte und des Unternehmens in Betracht zieht. Es bedarf also einer ehrlichen und authentischen Haltung der Unternehmen zu ihren Produkten. Erst wenn diese Haltung den Menschen überzeugt, ist der Weg zur wahren Innovation und zum Erfolg geebnet.

2. Die Angst vor dem persönlichen Risiko eines ScheiternsInnovation bedeutet auch immer Risiko. Welcher Manager oder Arbeitnehmer möchte gerne das Risiko eingehen, dass eine von ihm lancierte und verantwortete Innovation nicht erfolgreich auf dem Markt bestehen kann? Bleibt das Bestehende bestehen, besteht auch keine Gefahr des Scheiterns.

Das gilt allerdings nur, solange kein Anderer mit seiner Innovation überholt.

Der frühere Erfolg des Mobiltelefonherstellers Nokia basierte zum Beispiel darauf, aus einem Telefon eine Spielekonsole zu machen, mit der man auch telefonieren konnte. Das funktionierte bis es Apple gelang, die neuen Zeichen der Zeit innovativ mit eigenständigem Design und innovativer Technik in Produkte umzusetzen.

3. Der Trend ist fast immer schneller als ichWie viele Unternehmen versuchen den Trend und der Mode hinterherzulaufen, um zum richtigen Zeitpunkt auf die Welle aufzureiten! Wie wenige Unternehmen besitzen den Mut, die Kraft und Stärke mit ihren wahren Innovationen neue Trends zu erschaffen!

Unternehmen, die auf langfristige und damit nachhaltige Innovationen setzen, eröffnen sich damit völlig neue Märkte und setzen nebenbei auch noch die neuen Trends. Unternehmen die sich lediglich am Bestehenden auf dem Markt orientieren, können zwar auch innovativ sein, rennen aber der Konkurrenz immer hinterher.

Gehöre ich der Kategorie der Ersteren an, muss ich ein um so schneller Läufer sein, sodass die Gelegenheit auf Qualität zu schauen im Vorbeilaufen verschwimmt. Gehöre ich der letzteren Kategorie an, muss ich zwar auch ein schneller Läufer sein können, entdecke aber auch immer wieder die Schönheit der Landschaft um mich herum.

4. Das nicht Verstehen (wollen) der neuen MarktsituationenIn der aufregenden Zeit, in der wir uns derzeit bewegen, wo sämtliche Wirtschafts-, Sozial- und Finanzsysteme neu definiert werden, ändern sich auch die Marktsituationen schneller, als viele von uns wahrhaben wollen. Der demographische Wandel, sowie der Werte- und Systemwandel lassen uns die Ansprüche der Menschen und damit auch der Märkte unter neuen Perspektiven betrachten.

Aus dem Wertewandel wird ein "Wandel des Wertewandels". Der neu gewonnene Freiheitsgewinn schlägt in einen Sicherheitsverlust um. Für viele Unternehmen sind die aktuellen gesellschaftlichen Umwälzungen zu kompliziert und sie verweilen in einer Art Schockstarre - ähnlich einem Tier im Scheinwerferlicht eines Autos.

5. Die Unkontrollierbarkeit der KommunikationTechnik- und Design-Innovationen alleine reichen heutzutage nicht mehr aus, um einem Produkt zum Erfolg zu verhelfen. Spätestens seit Projekten wie "Stuttgart 21" und den aktuellen Massenprotesten wie kürzlich in Istanbul können wir feststellen, dass sich die Kommunikation aufgrund der vielen und neuen Medien verselbstständigen kann.

Die Massen bekommen eine Stimme und derer sind es viele. Und in dieser Anonymität der Stimmen ist es schwer, eine zielgerichtete Form der Kommunikation zu erlangen. So hat auch die Textilindustrie damit zu kämpfen, dass die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern, aller sich absichernden Zertifikaten zum Trotz, immer wieder angeprangert werden.

Die Haltung der Unternehmen bekommt hier eine völlig neuen Stellenwert und eine neue Bedeutung, denn durch die neuen Medien wird die unmittelbare Kommunikation und damit auch das kritische Feedback ermöglicht. Eine Chance für die, die es ehrlich meinen, eine Gefahr für die, die nicht authentisch sind.

6. Die Angst vor den neuen nachhaltigen KonzeptenMan spricht viel von und über Nachhaltigkeit, aber in letzter Konsequenz entscheidet sich der Kunde oft anders. Schlussendlich setzt er (immer noch) nur so lange auf den Faktor "Nachhaltigkeit", solange er den Faktor "Preis" noch nicht entdeckt hat.

Wie sonst ist zu erklären, dass beispielsweise Billig-Textilketten wie Primark so "erfolgreich" sein können. Ein Toyota Prius, die Inkarnation des Hybridfahrzeugs, wird in allen Umfragen immer mit den besten Ökonoten bedacht, aber es sind doch in letzter Konsequenz vergleichsweise wenig Verbraucher, die bereit sind für solch ein Auto Geld anzulegen. Noch nicht!

Das ändert sich, wenn mit diesen Innovationen Begehrlichkeiten geweckt werden, wie es beispielsweise im Bereich der Automobilindustrie Tesla zu gelingen scheint.

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