Umweltpsychologie So motiviert man Öko-Muffel zu grünem Verhalten

Kleine Aufkleber, die zu Mülleimern zeigen - mit solchen Mitteln provozieren Umweltpsychologen sauberes Verhalten.

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Viele Menschen entwickeln schon in jungen Jahren die Motivation, sich so zu verhalten, dass es anderen Menschen nicht schadet – zum grünen Lifestyle fehlt dann meist nicht mehr viel. Nur: Wie bringt man die anderen dazu, sich ebenfalls rücksichtsvoll und zum Beispiel umweltfreundlicher zu handeln?

Beim vergangenen Stuttgarter green2market Forum diskutierten Experten über den besten Weg dorthin. Als Beispiel diente etwa das US-Unternehmen Opower. Es schreibt in die Stromabrechnungen auch den Verbrauch von Nachbarn – und die Kunden tendieren dazu, ihren Verbrauch dem Durchschnitt anzupassen.

Dem Ansatz liegen wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde: Ein Team um den Psychologie-Professor Wesley Schultz von der California State University hatte das Verhalten von Stromkunden untersucht. Das ungewünschte Ergebnis: Bei sparsamen Menschen führte die mit den Nachbarn vergleichende Abrechnung sogar dazu, dass sie mehr Energie verbrauchten. Deshalb druckten die Forscher nun auf die Feedbackzettel zum Stromverbrauch zusätzlich ein fröhliches Smiley für unterdurchschnittlichen und ein trauriges Smiley für überdurchschnittlichen Verbrauch. Von da an senkten die Haushalte ihren Energiebedarf kontinuierlich ab.

Schultz hält wenig von sogenannten Killer Apps, die den Markt aufrollen und das Verhalten ändern sollen; und auch in die Macht der Politik setzt er keine Hoffnungen. In seinen Untersuchungen hat Schultz beobachtet, dass der Diskurs um freiwillige Verhaltensänderung sich meist um Bildung, Angstmache oder das Eigeninteresse dreht – alles wirksame Hebel, aber letztlich immer Hinweise auf eine soziale Norm.

"Wenn Ihnen jemand sagt: Die meisten Menschen tun das Falsche, aber Du solltest es anders machen! – Was löst das bei Ihnen aus?", fragt Schultz. Kaum jemand will der erste auf einem neuen Weg sein - gerade bei neuen Technologien haben Menschen ein hohes Orientierungsbedürfnis. "Menschen sind von Natur aus sozial", schließt Schultz daraus. Wenn ich als Stromkunde glaube, Stromsparen ist in meiner Nachbarschaft sozial erwünscht, dann schalte ich beim Verlassen des Wohnzimmers das Licht aus.

Unternehmen nutzt den sozialen Vergleich aus

Opower hat diese Erkenntnisse über das Peergroup-orientierte Verhalten für die breite Masse anwendbar gemacht. Mittels intelligenter Stromzähler (Smartmeters), Apps und einer Cloud-basierten Plattform erreicht das Unternehmen mittlerweile über 50 Millionen Haushalte, die so Energie, Geld und CO2-Emissionen einsparen. Zusammen sparten sie bis heute acht Milliarden Kilowattstunden Strom.

Gerade die Kosten sind häufig ein Argument dafür, sich umweltfreundlich zu verhalten – etwa Strom zu sparen. Es gibt aber noch andere Kosten, die Siegmar Otto vom Institut für Psychologie der Universität Magdeburg untersucht. Ihm zufolge wird eine Entscheidung für oder gegen umweltfreundliche Aktionen von den Verhaltenskosten geprägt. Dazu gehören finanzielle Anreize, strukturelle Kosten (ist die Option verfügbar?), soziale Kosten (welchen Nutzen hat die Handlung für meinen gesellschaftlichen Status?) und individuelle Kosten (wie viel Zeit muss ich investieren, wie viel Komfort aufgeben?).

Otto beobachtete am Beispiel der Smart Meter, dass diese Verhaltenskosten für alle Nutzer gleich waren. Trotzdem sparten nur 22 Prozent seiner Studienteilnehmer damit Strom, die anderen nicht. Sein Fazit: Sobald die Anreize wegfallen, geht die Wirkung aufs Verhalten verloren. Entscheidend ist daher die Umweltschutzmotivation. Sie kompensiert Verhaltenskosten.

Kleine Anreize können das Verhalten ändern

Menschen mit hoher Umweltschutzmotivation nehmen Schwierigkeiten eher in Kauf. Sie kaufen auch mal ein teureres Produkt, nehmen das Fahrrad, auch wenn es länger dauert oder stellen beim Drucker extra die Doppelseiten-Option ein. Diese Eigenmotivation ist zeitlich relativ stabil und sehr schwer zu verändern. Die Prägung dafür wurzelt sehr tief, so dass Kinder- und Jugendarbeit sowie Bildung essenziell erscheinen für eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder zum nachhaltigen Handeln anhalten will.

Bei allen anderen könnte dennoch ein kleiner Anreiz reichen, um ein erwünschtes Verhalten auszulösen: In Kopenhagen gibt es zum Beispiel 40 Prozent weniger Müll auf den Straßen, seitdem gemalte Fußabdrücke auf Bürgersteigen zum nächsten Mülleimer führen. "Nudges" nennen die Forscher der Verhaltensökonomik diese kleinen Schubser.

Die dänische Hauptstadt brachte außerdem ganze zwei Drittel der falschparkenden Fahrradfahrer dazu, ihren Drahtesel richtig abzustellen: Sogenannte "Bicycle Butlers" ölten in Abwesenheit der Radler die Kette, pumpten die Reifen auf und hinterließen eine freundliche Nachricht, doch bitte beim nächsten Mal in den dafür vorgesehenen Bereichen zu parken.

Kritiker werfen der Nudging-Methode Manipulation vor. Der geistige Vater des Schubs-Ansatzes, Cass Sunstein, sieht den Ansatz dagegen als eine menschheitsfreundliche Mission: "Wichtig ist es, die Prinzipien von Transparenz und Neutralität einzuhalten. Dann kann Nudging ein sehr erfolgreiches Instrument sein, um das Glück der Bürger zu steigern" – auch von denen ohne inneren grünen Antrieb.

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