Atommüll Australien will radioaktiven Abfall mit neuem Kraftwerk weiternutzen

Australien will Kohle- durch Kernkraft ersetzen – und damit das Atommüll-Problem anderer Länder lösen.

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Australien, reich an Bodenschätzen wie Uran, Kohle und Eisenerz, denkt über eine Energiewende nach. Doch anders als Deutschland, das in den nächsten Jahren aus der Kernenergie aussteigt, sehen die Australier ihre Zukunft in der Atomkraft.

Verlierer werden umweltschädliche Kohlekraftwerke sein, die bislang mehr als 80 Prozent des australischen Stroms erzeugen. Zumindest prüft derzeit die Nuclear Fuel Cycle Royal Commission, eine Kommission, die den Brennstoffkreislauf genau unter die Lupe nehmen soll, ob sich die australische Stromlandschaft umkrempeln lässt.

Deutscher Atommüll für AustralienDabei liegt der Fokus auf der Verwertung verbrauchter Brennelemente, die weltweit Probleme bereiten. Die Endlagersuche für radioaktives Material ist auch in Deutschland ein umstrittenes Thema. Nachdem der Salzstock in Gorleben 36 Jahre lang auf Eignung untersucht worden war, gilt er jetzt als unbrauchbar, ein neues Endlager wird gesucht. Vielleicht ist das aber auch gar nicht mehr nötig.

Australien setzt nämlich auf den Import verbrauchter Brennelemente, die immer noch mehr als 90 Prozent der Gesamtenergie von frischen Elementen enthalten. Etwa Plutonium, das sich als Brennstoff eignet, oder ein Gemisch aus einem spaltbaren und einem nicht spaltbaren Uranisotop (Uran 235 und Uran 238).

Uran 238 lässt sich in Spezialreaktoren, den Schnellen Brütern, vollständig nutzen. Es wird während des Betriebs in den eigentlichen Brennstoff dieser Reaktoren, in Plutonium umgewandelt.

"Prism" - Reaktor ohne Störfälle?Verbrauchte Brennelemente müssen, ehe ihre Wertstoffe genutzt werden können, allerdings wiederaufgearbeitet werden. In einem komplexen Prozess werden Uran und Plutonium vom unbrauchbaren Atommüll getrennt. Das war ursprünglich auch die Option für Deutschland, weil Atommüll, der weder Plutonium noch Uran enthält, nicht hunderttausende, sondern nur ein paar Dutzend Jahre strahlt, also nur für diese Zeit sicher eingeschlossen werden muss.

Man könnte diesen Müll auch mit Neutronen beschießen, die die Abfälle in weniger gefährlichen Müll umwandeln. Konversion nennt man das.

Australien denkt an den Bau von Schnellen Brütern, deren Wärmeenergie nicht mit Wasser oder Dampf, sondern mit flüssigem Natrium abtransportiert wird, um Strom zu erzeugen. Einen solchen Reaktor hat beispielsweise das amerikanisch-japanische Unternehmen GE Hitachi Nuclear Energy (GEH) entwickelt (siehe Titelbild) und als Prototyp erfolgreich getestet. Prism heißt der Reaktor, der „inhärent sicher“ sein soll. Bei einer Störung stellt er ohne Zutun von außen die Kernspaltungen ein – anders als heutige Reaktoren, deren Kern immer heißer wird und letztlich schmilzt, wenn Kühlmittel fehlt. Katastrophen wie in Fukushima sind also ausgeschlossen. Sagt jedenfalls GEH.

Fast 300.000 Tonnen AtommüllAn Nachschub würde es den Australiern nicht fehlen. Die heute weltweit laufenden Kernkraftwerke produzieren jährlich rund 12.000 Tonnen hochradioaktiven Abfall, der mit Prism-Reaktoren nutzbar wäre. Insgesamt sind weltweit mittlerweile rund 270.000 Tonnen zusammengekommen, bei weitem zu viel für Australien, selbst wenn das Land sein Atomprogramm mit Verve startet. 40.000 Tonnen würden schon reichen, um das Land zwei Jahrzehnte lang mit Atomstrom zu versorgen, so Barry W. Brook, Professor für Umweltverträglichkeit an der australischen University of Tasmania.

Brook gehört, ebenso wie Jay Weatherill, Premierminister des Bundesstaats Südaustralien, zu den vehementesten Befürwortern des Einstiegs in die Kernenergie. Brook glaubt, dass der Import von 40.000 Tonnen abgebrannte Brennelemente seinem Land umgerechnet einige zehn Milliarden Euro einbringen würde, genug für den Start eines Atomprogramms.

Dass Länder wie Deutschland oder Südkorea, die angesichts ihres Atommülls schier verzweifeln, das australische Angebot mit Kusshand annehmen würden, daran zweifelt Brook nicht. Die kumulierten Kosten für die Lagerung lägen, soweit sich dies prognostizieren lässt, weltweit bei 100 Milliarden australischen Dollar (70 Milliarden Euro).

Der Export wäre allemal billiger als der Versuch, das Atommüllproblem im eigenen Land zu lösen. Gorleben hat bereits mehrere Milliarden Euro gekostet. Die Suche nach einem neuen Endlager wird noch deutlich teurer.

Auch Versuche, den Atommüll zu entschärfen, sind äußerst kostenintensiv. So veranschlagt Europa für den Bau von Myrrha, einem Spezialreaktor, der Atommüll vernichtet, eine Milliarde Euro. Die Anlage, die 2024 im belgischen Kernforschungszentrum Mol nahe Antwerpen fertiggestellt werden soll, kann pro Jahr bestenfalls eine Tonne Atomabfälle verarbeiten – ein Tropfen auf den heißen Stein.

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