WHO warnt Mehr als ein Glas Cola pro Tag ist ungesund

Die Weltgesundheitsorganisation will den Zuckerkonsum eindämmen. Die Nahrungsmittelindustrie hält nichts davon.

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Schokolade, Eis oder Softdrinks - dank solch süßer Verführungen essen wir bis zu 35 Kilogramm Zucker im Jahr. Für unsere Gesundheit ist das viel zu viel. In einem neuen Richtlinienentwurf hat die Weltgesundheitsorganisation WHO deshalb ihre Empfehlungen zum Zuckerverzehr jetzt noch einmal verschärft.

Erwachsene und Kinder sollen demnach höchstens fünf Prozent ihres täglichen Kalorienbedarfs über Zucker decken. Das ist nur halb so viel wie nach bisherigen WHO-Vorgaben. Der neuen Empfehlung liegt eine Auswertung von 9.000 Studien zugrunde. Im Fokus stehen dabei nicht nur Süßigkeiten oder Softdrinks, sondern auch „natürliche“ Zuckerquellen wie Fruchtsäfte oder Honig. Der in Obst enthaltene Zucker wird dagegen nicht auf den Wert angerechnet.

 Diabetes und Fettleibigkeit sind wachsende Probleme"Fünf Prozent sind eine vernünftige Grenze", kommentiert Walter Willett, Ernährungsexperte an der Harvard School of Public Health, die WHO-Empfehlungen in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature. "Wir haben gute Beweise für ein erhöhtes Risiko von Diabetes schon bei 25 Gramm Zucker pro Tag. Bei höherem Konsum steigt auch das Risiko für Fettleibigkeit.“

Mehr als 370 Millionen Menschen leiden weltweit an Diabetes, Tendenz stark steigend. Besonders betroffen sind Industrienationen wie Deutschland. Aktuell haben etwa sechs Millionen Menschen hierzulande Diabetes. Das entspricht mehr als neun Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Auch die Zahl der Übergewichtigen steigt stetig. Mehr als anderthalb Milliarden Menschen gelten weltweit als zu dick, 500 Millionen sogar als fettleibig.

Im Kampf gegen diese Volkskrankheiten ist der Verzicht auf Zucker ein wichtiger Schritt, wie Marion Nestle, Ernährungsforscherin an der New York University, erklärt: "Es gibt viele Beweise dafür, dass Menschen gesünder leben, wenn sie weniger Zucker essen.“

 Ein Glas Cola ist zu vielDie Fünf-Prozent-Grenze im Alltag einzuhalten, ist allerdings schwer. Schon ein Glas Cola (ein Viertel Liter) oder eine halbe Tafel Schokolade überschreitet die WHO-Grenze von 25 Gramm Zucker pro Tag für einen Erwachsenen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der durchschnittliche Zuckerkonsum bei täglich rund 96 Gramm. Wir müssten also auf etwa zwei Drittel der Tageszufuhr an Zucker verzichten, um den vorgeschlagenen Zielwert zu erreichen.

Die Verbraucher allein könnten diesen Weg nicht gehen, einen wichtigen Beitrag müsste auch die Süßwarenindustrie selbst leisten und weniger Zucker in ihre Produkte mixen. Genau das halten Experten aber für eher unrealistisch. "Wenn die Menschen der WHO-Empfehlung konsequent folgen, wäre das sehr schlecht für diesen Wirtschaftszweig", sagt die Forscherin Nestle.

Zucker gilt als kostengünstiger Zusatzstoff und macht Lebensmittel wie Ketchup oder Fertiggerichte länger haltbar. Außerdem werden gesüßte Lebensmittel vom Konsumenten besser angenommen.

Deshalb befürchtet die Forscherin eine ähnlich heftige Gegenreaktion wie 2003, als die WHO eine Zehn-Prozent-Grenze zur Deckung des täglichen Kalorienbedarfs mit Zucker forderte. Damals versuchte die US-Lebensmittellobby sogar, die finanzielle Unterstützung für die WHO kürzen zu lassen. Allerdings blieb dieser Versuch erfolglos.

Auch jetzt gibt es Kritik: Kurz nach der Veröffentlichung der neuen Zahlen meldet sich die US Sugar Association mit dem Hinweis zu Wort, dass das Institute of Medicine und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in der Vergangenheit keine schlüssigen Beweise für eine solche Begrenzung gefunden hätten. Auch die deutsche Süßwarenindustrie lehnt alle Grenzwerte mit ähnlicher Begründung ab.

 Die endgültige Empfehlung folgt im SommerBei der WHO zeigt man sich von möglichem Gegenwind unbeeindruckt. "Wenn Druck auf die Organisation steigt, dann sind wir sehr gut gerüstet", sagte Francesco Branca, Direktor der WHO-Abteilung für Ernährung, Gesundheit und Entwicklung, auf einer Pressekonferenz. Endgültig ist die Empfehlung der WHO ohnehin noch nicht.

Derzeit holt die UN-Organisation noch Expertenmeinungen ein. Die Gespräche sollen bis zum 31. März abgeschlossen sein. Anschließend will man entscheiden, ob der Entwurf überarbeitet wird und welche Mengenempfehlungen in den Leitfaden zum Zuckerkonsum aufgenommen werden.

Zu viel Zucker, wenig Bewegung und falsche Ernährung gelten längst nicht als die einzigen Gründe für die Zunahme von Fettleibigkeit und Diabetes. Laut einer Studie der britischen Umweltorganisation ChemTrust aus dem Jahr 2012 können auch Weichmacher und andere Chemikalien eine Rolle bei der Entstehung dieser Volkskrankheiten spielen.

Sie sind in Alltagsprodukten wie Plastikspielzeug, Elektrogeräten, PVC-Böden und Konservendosen enthalten und gelangen so über die Atemluft, die Haut oder die Nahrung in den Körper. Bisher wurden diese Chemikalien vor allem mit Störungen der Sexualfunktionen in Verbindung gebracht.

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