Transition Towns So machen Bürger ihre Städte grün, lebenswert und sexy

Tauschzirkel, Regionalläden, Blumenbeete: In Transition Towns verschönern Bürger ihre Städte. Eine ist Eberswalde.

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Occupy, Slow Food, Urban Gardening - alternative Lebenstile, die für einen Alltag jenseits des Einfach-weiter-so werben, sind seit Jahren im Trend. Eine Bewegung, in der Menschen mit simplen Ideen ihr Umfeld verändern wollen, ist derzeit ganz besonders beliebt: In Transition-Town-Initiativen teilen Städter Bohrmaschine oder Auto, bringen kaputte Dinge zur Reparatur oder gärtnern zusammen.

Transition Town bedeutet so viel wie „Stadt im Wandel“. Wer mitmacht, ist davon überzeugt, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Wie bisher, bedeutet etwa, viel Geld für immer neue Konsumgüter auszugeben. Es bedeutet, Obst zu essen, das über viele Meilen eingeflogen wurde, zwischen Hochhäusern vergebens einen Park suchen. Oder Nachrichten über Umweltzerstörung und Ressourcenknappheit zu lesen, ohne etwas zu ändern.

Jeder Einzelne kann etwas tun, das ist das Credo der Transition Towns. Wer auch mal mit anderen teilt, spart nicht nur Geld, sondern schont die Umwelt. Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt. So verwandelten Mitglieder der Transition-Town-Bewegung im brandenburgischen Eberswalde ihren trist-grauen Bahnhofsvorplatz mit vielen Blumen in einen bunten Garten.

Es wirkte: Passanten hetzten nicht wie üblich über den Platz, sondern blieben stehen und genossen die ungewohnt grüne Atmosphäre. „Danach waren wir in der ganzen Stadt bekannt“, erzählt Ingo Frost, einer der Gründer der lokalen Initiative.

Finanz- und Klimakrise machten Transition Towns populär

Klar ist: Mehr Blumenkübel in der Stadt halten den Klimawandel nicht auf. Ist das alles also nur sinnloser Aktionismus?

Laut Rob Hopkins, dem Initiator der Bewegung (hier sein Blog), ist es das keinesfalls. In seinem ersten Buch - einer Anleitung zur Gestaltung der Transition Towns - beschreibt er, wie Aktionen der Bewegung Gemeinschaftsgefühl entfachen und Menschen dazu anregen, die eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen. Mittlerweile hat er mehrere Bücher verfasst. Sein neuestes stellt er am 2. Juli in Berlin sowie am 3. Juli in Bielefeld vor.

Die Transition Towns treffen genau den Zeitgeist. Denn Finanzkrise und Raubbau an der Natur haben bei vielen Menschen den Wunsch nach Veränderung genährt - und die Bewegung populär gemacht. Mittlerweile gibt es in über 40 Ländern 3000 bis 4000 regionale Gruppen. Da es sich um ein loses Netzwerk handelt, ist die genaue Zahl nicht bekannt.

Die erste Transition Town hat Hopkins bereits 2006 im südenglischen Totnes gegründet. Als Dozent für ökologisches Bauen und Permakultur beschäftigte er sich auch mit den Themen Klimawandel und Ressourcenverbrauch. Nach vielen Seiten Buch- und Zeitungslektüre wollte er aber endlich selbst etwas gestalten. Genauer gesagt: Den Wandel im eigenen Umfeld herbeiführen.

In Totnes begannen Hopkins und seine Mitstreiter mit einfachen Schritten: Sie überredeten Menschen, die keine Zeit für ihre Gärten hatten, andere auf ihren Flächen Gemüse und Obst­ anbauen zu lassen.

Auf öffentlichen Parkflächen legten sie Kleingärten an. Mit zwei Motor-Rikschas aus Indien, die mit Pflanzenöl angetrieben werden, ergänzten Hopkins und seine Mitstreiter ein Jahr später den öffentlichen Nahverkehr.

Die eigens gegründete Totnes Renewable Energy Supply Company machte sich daran, eine Energie-Strategie für die Stadt zu entwickeln. Mittlerweile zählt die Transition Town Totnes weit über 500 Mitglieder.

100 Gruppen im deutschsprachigen Raum

Die Transition Town Eberswalde ist eine von 100 Gruppen im deutschsprachigen Raum. Neben der Verschönerung des Bahnhofsvorplatzes kommt auch ein Lastenfahrrad der Gruppe gut an.

Mit dem Lastenfahrrad lassen sich schwere Einkäufe von einem Ort an den anderen transportieren - ein Auto ist dafür nicht zwingend nötig. Als umweltfreundliches Transportmittel ist es so beliebt, dass die Eberswalder es immer öfter ausleihen.

 Wandel gestalten braucht Geduld

Drei Jahre gibt es die Transition Town Eberswalde nun schon. Viel Unterstützung hätten sie erfahren, aber nicht immer seien sie nur auf offene Türen und Ohren gestoßen, erzählt Ingo Frost.

„Die Stadt wirbt zwar offiziell mit dem Label Nachhaltigkeit. Aber wenn es darum geht, dass wir eine brachliegende Fläche zum Stadtgärtnern nutzen können, stellt sich die Verwaltung quer", sagt Frost. Mittlerweile sei die Bewegung aber so bekannt, dass auch seitens der Stadt ein deutliches Entgegenkommen zu spüren sei, so Frost weiter.

Wer selbst eine Transition-Towns-Initiative gründen möchte, kann ein spezielles Transition-Training besuchen. Dort geben die Erfahrenen praktische Tipps weiter.

Wichtig sei, gemeinsam etwas gestalten zu wollen, sagt Frost. Am besten also mit Freunden oder Bekannten anfangen. Wenn die Initiative dann einmal ins Rollen gebracht ist, braucht es Geduld. Ein wichtiges Prinzip der Transition-Bewegungen ist nämlich auch, dass man aufeinander Rücksicht nimmt und Dinge zusammen entscheidet. Manche Treffen können deshalb bis in die späte Nacht gehen. Aber einen Wandel gestalten, das braucht eben seine Zeit.

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