Strom zu Gas Das sind die sieben spannendsten Speicherprojekte

Stromspeicher sind unverzichtbar für die Energiewende - Startups, Autokonzerne und Energieversorger gehen voran.

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Im niedersächsischen Werlte wird seit dem 25. Juni Erdgas gefördert. Das wäre eigentlich keine Meldung wert - aber: Eine Bohrung hat es dort nie gegeben. Vielmehr stellt Etogas, ein süddeutsches Startup, das früher einmal SolarFuel hieß, das Gas aus "Abfällen" her: Nämlich aus Wind- und Solarstrom, den niemand haben will, und dem Klimagas Kohlendioxid.

Und so funktioniert es: Mit dem sonst unbrauchbaren Grünstrom wird per Elektrolyse Wasserstoff erzeugt. Ein Katalysator sorgt dafür, dass dieses Gas sich mit dem eher reaktionsträgen Kohlendioxid zu Methan, also synthetischem Erdgas verbindet. Dieses wird ins Erdgasnetz eingespeist.

Mit diesem Verfahren wird nun die hunderttausende Kilometer lange Erdgasinfrastruktur zu einem Pufferspeicher für Überschussstrom. Der kann wiederum genutzt werden, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Speichertechnologien wie die in Werlte sind deshalb zentral für das Gelingen der Energiewende.

Auftraggeber für das innovative Projekt ist der Autokonzern Audi, was nur auf den ersten Blick merkwürdig erscheint. Denn die Ingolstädter bauen serienmäßig Autos, die Erdgas statt Benzin oder Diesel tanken. Damit fahren sie weitgehend klimaneutral. Vorausgesetzt, die Menge Methan, die sie verbrauchen, wird mit Ökostrom und Kohlendioxid hergestellt, das ansonsten einfach an die Umwelt abgegeben würde.

Die in Werlte produzierte Menge reicht für die Betankung von bis zu 1500 Audi A3. Innerhalb der nächsten Jahre soll die Fabrik auf die vierfache Größe erweitert werden. Die Technologie ist im wesentlichen von Etogas und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart entwickelt worden. In zwei deutlich kleineren Pilotanlagen haben die Partner das Funktionieren des Verfahrens erfolgreich demonstriert.

Speicherprojekte im ganzen LandAber Audi und Etogas sind nicht die einzigen, die derzeit die Energiewende auf dem Weg des sogenannten Power-to-Gas-Verfahrens - damit ist die Umwandlung von Strom in ein energiereiches Gas gemeint - vorantreiben. Denn sechs weitere Projekte streiten derzeit um die Technologieführerschaft.

Hamburg:

Wenige Tage vor der Einweihung der Anlage in Werlte hat E.On in Hamburg mit dem Bau einer Fabrik begonnen, in der ebenfalls Wind-und Solarstrom genutzt wird, um Wasserstoff zu erzeugen. Die Weiterverarbeitung zu Methan erspart sich der Stromgigant aus Düsseldorf aber.

Er speist das Gas direkt in das Erdgasnetz ein. Das Vermischen von Erdgas und Wasserstoff, der gut doppelt so viel Energie enthält, ist unproblematisch, so lange der Wasserstoffanteil etwa drei Prozent nicht übersteigt. In Hamburg sollen stündlich 175 Kubikmeter Gas erzeugt werden. E.On betreibt im nordbrandenburgischen Falkenhagen bereits eine doppelt so große Wasserstofffabrik, die mit Überschussstrom versorgt wird.

Mecklenburg-Vorpommern:

Ebenso groß wie die Hamburger Anlage ist die Wasserstofffabrik am Windpark RH2-Werder/Kessin/Altentreptow (RH2 steht für regenerativer Wasserstoff) in Mecklenburg-Vorpommern. Das Gas wird allerdings nicht eingespeist, sondern gespeichert. Bei Flauten wird es genutzt, um in einem Blockheizkraftwerk Strom und Wärme zu erzeugen.

Brandenburg:

Das raffinierteste Power-to-Gas-Projekt hat allerdings das Unternehmen Enertrag aus Dauerthal im Nordosten von Brandenburg realisiert. Die Anlage im nahe gelegenen Prezlau besteht aus drei Windgeneratoren, einem Elektrolyseur für die Wasserstoffproduktion, einem Wasserstoffspeicher, zwei Blockheizkraftwerken, die Strom und Fernwärme produzieren, und einer Biogasanlage.

Autos tanken Windstrom in Form von WasserstoffDie Flexibilität dieser Anordnung lässt sich kaum übertreffen. Windstrom wird, wenn er nicht ins Netz eingespeist werden kann, zur Wasserstoffherstellung genutzt, der im Pufferspeicher zwischengelagert wird. Die Blockheizkraftwerke beziehen ihren Brennstoff primär aus der Biogasanlage. Wenn der Wasserstoffspeicher voll ist kann das darin lagernde Gas in den Kraftwerken verfeuert werden. Deren Abwärme wird ins örtliche Fernwärmesystem eingespeist. Ein Teil des Wasserstoffs wird künftig zum nahe gelegenen neuen Berliner Flughafen transportiert, um dort Fahrzeuge zu betanken.

Nordrhein-Westfalen:

Und noch ein Projekt versucht sich derzeit an der technischen Marktführerschaft bei der Energieumwandlung: In der Initiative CO2RRECT haben sich 15 Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen, um Überschussstrom und Kohlendioxid aus Kraftwerksabgasen in Methan zu verwandeln. Die Versuchsanlage steht auf dem Gelände des Braunkohlekraftwerks Niederaußem.

Hier geht es vor allem um zwei Dinge: Die Entwicklung von besseren Katalysatoren für die Methanisierung und die Optimierung des Prozesses mit Kohlendioxid, das nicht völlig frei ist von Fremdgasen, wie sie im Rauch vorkommen. Die Anlage produziert stündlich 50 Kubikmeter Wasserstoff.

Nordrhein-Westfalen die 2.:

Kurz vor der Fertigstellung steht auch eine Power-to-Gas-Anlage in Ibbenbüren, die der Essener Stromriese RWE baut – RWE ist auch Partner der Initiative CO2RRECT. Wie Konkurrent E.On beschränken sich die Essener auf die Produktion von Wasserstoff, der direkt ins Erdgasnetz eingespeist wird. Mit etwa 20 Kubikmeter pro Stunde leistet diese Anlage nur etwa ein Zehntel dessen, was von der E.On-Fabrik in Hamburg erwartet wird.

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