Straßenbeleuchtung Superspar-Laternen erobern die Städte

Die alte Stadtfunzel ist out. Künftig werden smarte Straßenlaternen mit Wind und Solar betrieben und verbrauchen kaum Energie. Manche fressen sogar CO2.

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Straßenlaternen gehören ebenso wie Parkbänke zu den unterschätzten Stadtmöbeln. Bewohner bemerken die Lampen meist nur, wenn sie einmal nicht ihren Dienst tun. Für gewöhnlich aber werfen sie ganz unspektakulär ab Anbruch der Dämmerung bis zum Morgengrauen Licht dorthin, wo es benötigt wird.

Die Straßenlaterne fristet aber ganz zu Unrecht ein Schattendasein im öffentlichen Bewusstsein. Denn eigentlich hat sie riesiges Potenzial.

Und das soll ab Ende 2015 auch voll zur Entfaltung kommen. Denn bis dahin, so die Vorgabe der Europäischen Union, müssen Gemeinden in Europa die derzeit rund 20 Millionen Quecksilberdampflaternen aus den Sechzigerjahren gegen moderne Leuchten austauschen.

In Deutschland allein sind rund neun Millionen Straßenlaternen in Betrieb, die ganze vier Terawattstunden (TWh) Energie pro Jahr verbrauchen. In Europa sind es circa 60 Millionen Leuchten, die den öffentlichen Raum erhellen. Wie viel Energie genau sie schlucken, ist nicht bekannt – die gesamte Außenbeleuchtung in Europa verschlingt jedoch per annum laut VDI 35 TWh (hier als PDF) – das entspricht der Stromproduktion von etwas mehr als vier Atomkraftwerken.

Das Einsparpotenzial ist dabei riesig. „Im Vergleich zu konventionellen Quecksilberdampflampen reduzieren aktuelle LED-Lampen die Stromkosten um durchschnittlich 70 Prozent“, sagt Michael Faber, der beim US-LED-Hersteller Dialight für Industriebeleuchtung zuständig ist. Das zeigte sich auch in der Kleinstadt Missouri im US-Bundesstaat Texas. Dort tauschte das Unternehmen 104 Straßenlaternen aus – das Städtchen spart nun 70.000 Kilowattstunden Energie pro Jahr, immerhin soviel wie 20 deutsche Durchschnittshaushalte verbrauchen.

Lampenneubau bezahlt sich quasi selbstAus eigener Tasche konnte sich die Stadt den Umbau aber nicht leisten. Missouri bekam knapp 200.000 Dollar Fördergelder von der Regierung in Washington, die seit Jahren Energieeffizienzprojekte vorantreibt.

Aber auch in Deutschland soll der Lampenumbau angekurbelt werden. Dafür unterstützt das Bundesumweltministerium Gemeinden mit bis zu 40 Prozent der Investitionskosten. Das Programm läuft aber nur noch bis zum 31. März. Die Hilfen sind dringend nötig, denn viele Gemeinden können sich wegen klammer Kassen keine neuen Lichter leisten – eher schalten sie alte einfach ab. Die Bürger laufen dann im Dunkeln; so geschehen in England, aber auch schon in Deutschland. Das kann wiederum die Sicherheit gefährden.

Findige Unternehmen, wie zum Beispiel die Niederländer von Philips, bieten Städten deshalb einen besonderen Service an, um ihre Produkte attraktiv zu machen: Sie übernehmen die Kosten und lassen sich aus den Einsparungen bezahlen. So wurde unter anderem in Wien der Umbau der Beleuchtung auf der Donauinsel bezahlt. „Amortisationscontracting“ nennt sich das Verfahren im Fachsprech.

Nach den LED-Lampen erobert aber auch schon die nächste Innovation die Städte: „Smarte“ Straßenbeleuchtung, die je nach Autoverkehr auf den Straßen oder Betrieb auf den Gehwegen dimmbar ist, kann zusätzlich zu LEDs bis zu 30 Prozent Energie sparen. Die Lichter werden automatisch heller, wenn Sensoren Fußgänger und Fahrzeuge registrieren. Ist niemand auf der Straße, bleiben sie dunkel. Bis 2025 könnte der Markt für die klugen Leuchten allein in den USA auf knapp fünf Milliarden Dollar anwachsen, so eine Studie des US-Beratungsunternehmen Northeast-Group (hier als PDF).

Möglichkeiten für eine sparsame Straßenbeleuchtung gibt es also genug. Vielleicht sollten auch die Bürger ihren Gemeindevertretern endlich Beine für mehr Klimaschutz machen. Bürgerbewegungen für mehr Grün in der Stadt gibt es zuhauf – aber für bessere und umweltfreundlichere Straßenbeleuchtung? Fehlanzeige.

Für welche Konzepte die Bürger sich einsetzen könnten, lesen Sie hier:

Energieautark mit Sonne und WindDer „Eco-Pole“ der US-Firma Savwatt ist eine freistehende Laterne, die mit einer 60 Watt LED-Beleuchtung funktioniert. Sie benötigt nicht einmal einen Netzanschluss, sondern arbeitet mit einer Kombination aus Solarzellen, einer kleinen Windturbine und einer Batterie. In Washington und anderen US-Städten sind einige dieser Leuchten schon in Betrieb. Ganz ähnliche Lampen hat das Unternehmen Urbangreenenergy im Angebot. Die ersten sind in China installiert, wie man hier im Video sehen kann.

Laternen mit SpürsinnDer Elektronikkonzern Philips gehört zu den Pionieren der „smarten“ Straßenbeleuchtung. Wenn niemand in der Gegend ist, fahren die Lampen die Lichtleistung automatisch herunter – so zum Beispiel in der niederländischen Stadt Tilberg. In Lewisham und Croydon, zwei Vororten von London, hat Philips außerdem rund 42.000 Laternen installiert, die sich per Computer dimmen lassen. Sie zeigen zudem an, wenn Reparaturen nötig sind.

Lampe als Teil des NetzwerkesNoch einen Schritt weiter als Philips geht das Schweizer Unternehmen Paradox Engineering. Derzeit baut es in San Francisco nicht nur die Straßenbeleuchtung um, sondern baut auch ein riesiges W-Lan-Netz auf, mit dem sich sowohl die Lampen kontrollieren lassen als auch Ladestationen für Elektroautos und allerlei andere stromverbrauchende Infrastrukturen – es ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer smarten Stadt. Auch die Bürger können dann kostenlos überall surfen.

Algenlaterne, die CO2 frisstKlingt verrückt, aber sie existiert: Der französische Biochemiker Pierre Calleja hat in Bordeaux eine Algen-Lampe in einer Parkgarage installiert, die eine Tonne CO2 pro Jahr fressen soll. Noch kann die Lampe aber nicht mit den Algen betrieben werden – theoretisch könnte das nasse Grün aber geerntet und in einer Biogasanlage zu Strom und Wärme gemacht werden. Calleja will seine Lampe nun entlang von Autobahnen installieren.

Licht per Pedale

Auch dort, wo es keine Infrastruktur gibt, soll Licht sein. Deshalb hat das von der Weltbank unterstützte US-Startup Nuru Energy eine Lampe entwickelt, die sich mit Pedalkraft aufladen lässt. Der Pedalgenerator sieht aus wie ein Gerät aus dem Fitness-Studio und kann in 20 Minuten fünf Lampen aufladen. Die leuchten dann eine Woche. Eine Lampe kostet rund sechs Dollar. Sie kommen vor allem in Afrika und Indien zum Einsatz.

Sameer Hajee, der Gründer von Nuru Energy, hat sich auch etwas besonderes einfallen lassen, um sein System in den Dörfern einzuführen: Der Generator wird von Unternehmern betrieben, die für eine Lampenladung umgerechnet rund 20 US-Cent verlangen. Bisher benutzen viele Menschen in Entwicklungsländern teures Kerosin, um Licht zu erzeugen - auch mit dieser Erfindung sparen sie also Geld.

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