Solarbeton Deutsche Forscher entwickeln Baustoff, der Strom produziert

Forscher in Kassel haben Beton erfunden, der Sonnenlicht in Strom umwandelt. Dabei geholfen hat: Johannisbeersaft.

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Industriell gefertigte Betonmodule für Bürogebäude, Produktionshallen und Wohngebäude sollen künftig Strom erzeugen. Die dazu nötigen Solarzellen werden nicht, wie bisher üblich, an der Fassade angebracht. Sie sind integraler Bestandteil der Bauelemente!

DysCrete, wie der ungewöhnliche Stromerzeuger genannt wird, ist von einem interdisziplinären Forscherteam an der Universität Kassel entwickelt worden.

Erste Module werden Ende Januar präsentiertUnd so funktioniert der neue Baustoff: Die Module sind schichtweise aufgebaut. Die dickste, innen liegende Lage besteht aus leitfähigem Beton, der gleichzeitig als elektrischer Leiter, also als Elektrode, fungiert. Titandioxid im Beton fängt die Lichtteilchen der Sonne ein. Roter Farbstoff oder Chlorophyll (das Blattgrün in Pflanzen), wandelt die Sonnenenergie in freie Elektronen um, die als elektrischer Strom abfließen können. Bei den ersten Prototypen experimentierten die Forscher tatsächlich mit Johannisbeersaft als Farbstoffgeber. Eine dünne Graphitschicht bildet die äußere Elektrode. Der Beton ist zusätzlich mit einer transparenten Oberfläche beschichtet.

Das zu Anfangs bescheidende Ziel der Forscher ist ein Wirkungsgrad von zwei Prozent; was bedeutet, das nur zwei Prozent der auf den Beton auftreffenden Sonnenenergie in Strom verwandelt wird. Das ist in der Tat wenig, der Werkstoff könnte dennoch einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten, weil es um große Flächen geht und die Herstellungskosten niedrig sind. Alle Werkstoffe für den Beton sind preiswert zu haben.

Vorbild der Kasseler ist die so genannte Farbstoffzelle (wir berichteten hier), die der Schweizer Chemiker Michael Grätzel vor mehr als zwei Jahrzehnten entwickelt hat. Sie hatte bisher allerdings keine Bedeutung, weil ihre Lebensdauer zu gering war. Der aggressive Flüssigelektrolyt, der in den Farbstoffsolarzellen verhindert, dass die Elektronen direkt nach ihrer Entstehung an ihren alten Platz zurückkehren, ohne als elektrischer Strom etwa ein Lämpchen leuchten zu lassen, verflüchtigte sich nach kurzer Zeit durch Lecks, die nie zuverlässig zu stopfen waren. Ob es den Kasseler Forschern gelungen ist, dieses Problem zu beheben, muss sich noch zeigen.

Kosten noch unklarDie Bezeichnung DysCrete setzt sich zusammen aus den englischen Bezeichnungen für Farbstoffzellen (Dye-Sensitized Solar Cell – DYSC) und Beton (Concrete).

Es handelt sich um ein Projekt der interdisziplinären Lern- und Forschungsplattform „Bau Kunst Erfinden“ von Heike Klussmann, Professorin und Leiterin des Fachgebiets Bildende Kunst an der Universität Kassel, und Thorsten Klooster, Projektleiter Forschung am Fachgebiet. Das Bundesbauministerium förderte des Projekt mit rund 150.000 Euro.

Mitte 2015 soll die Entwicklung zusammen mit Partnern aus der Industrie abgeschlossen sein. Die ersten kleinen DysCrete-Module zeigen die Entwickler vom 19. bis 25. Januar auf der BAU 2015 in München, die als Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme gilt. Wie viel der stromproduzierende Beton in der industriellen Produktion einmal kosten wird, darüber können die Forscher noch keine Angaben machen.

Energieautarke Halle

Der Kasseler Solarbeton ist aber nicht die einzige Innovation, die Gebäude künftig zu Kraftwerken machen könnte. Auch der Dresdner Solarzellenhersteller Heliatek nutzt Oberflächen, um Strom zu produzieren. Auf einer Traglufthalle in Berlin kleben neuerdings insgesamt 50 Quadratmeter der HeliaFilm genannten organischen Solarzellen. Deren Spitzenleistung liegt bei 1,4 Kilowatt. Damit sollen immerhin fünf Prozent des Eigenbedarfs der Halle an Strom gedeckt werden.

„Langfristiges Ziel der Entwicklung ist es, Traglufthallen ohne Netzanschluss aufzustellen“, sagt Thomas Bickl, verantwortlich bei Heliatek für den Verkauf und die Geschäftsentwicklung.

Die Serienproduktion der organischen Heliatek-Zellen soll noch in diesem Jahr beginnen. Sie bestehen aus speziellen Kunststoffen. Sie sind sehr leicht und flexibel, zudem preiswert herzustellen. Einziger Nachteil: Der Wirkungsgrad ist vergleichsweise gering. Im Labor haben die Heliatek-Forscher zwar schon zwölf Prozent erreicht. Industriell gefertigte Module dürften allerdings deutlich darunter liegen.

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