Schuh-Recycling Straßenbelag statt neuer Treter

Schuh-Händler nehmen ausrangierte Treter in ihren Geschäften zurück. Unsere Autorin wollte den Weg ihrer Sportschuhe verfolgen – und ist dabei gescheitert.

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Egal, wie weit wir laufen: Unsere Schuhe gehen jeden Schritt mit. Manche Menschen halten ihren Schuhen jahrelang die Treue, andere mustern sie schnell wieder aus. Wer ökologisch denkt, spendet seine Schuhe dann immerhin noch – schließlich erspart ein gesammeltes Paar Schuhe der Umwelt bis zu 8000 Liter Wasser und rund 3,6 Kilogramm CO2.

Ein Paar Schuhe kann 8000 Liter Wasser sparen

Viele Verbraucher stopfen ihre alten Treter allerdings lieber in den heimischen Abfalleimer. Allein in Deutschland landen jedes Jahr mehr als 380 Millionen Paar Schuhe im Hausmüll, in den Ländern der EU sind es 2,5 Milliarden – ob kaputt oder von ihren Besitzern einfach nicht mehr gewollt.

Schuhe auf der Straße. (Foto:

/ CC BY 2.0)

Die Recyclingforscher Mike Lee und Shahin Rahimifard von der Loughborough University im britischen Leicestershire schätzen: Von den mehr als 20 Milliarden Paar Schuhen, die jährlich auf der Welt hergestellt werden, wandern 95 Prozent in den Müll und werden in einer Müllverbrennungsanlage verbrannt. Kritiker halten dies für umweltbelastend und wenig ressourcenschonend.

Auch das Kreislaufwirtschaftsgesetz, in dem die Abfallentsorgung der Bundesrepublik geregelt ist, sieht eine andere Priorität: Produkte sollen lieber – so die Rangfolge – wiederverwendet, repariert und recycelt werden, damit die enthaltenen Rohstoffe mehrfach genutzt werden. Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft, bei der Produkte oder Stoffe idealerweise erst gar nicht mehr zu Abfall werden. Aber wie?

Annahmeservices gibt es genugSchuhe mit Löchern im Futter, gebrochenen Sohlen oder kaputter Dämpfung will auch in den ärmsten Regionen der Welt niemand tragen. Die logische Konsequenz wäre Recycling. Und einige Unternehmen in Deutschland versprechen dabei sogar, mit der Wiederverwertung Gutes für die Umwelt zu tun, wenn man die Schuhe bei ihnen abgibt.

In der EU landen jährlich 2,5 Milliarden Paar Schuhe im Müll

Diesen Service bieten etwa Reno, Puma oder Adler Modemärkte an. Puma erwähnt das Rücknahmeprogramm speziell in seinem Geschäftsbericht 2013: „Mit dem Programm 'Bring Me Back' kommen die Materialien wieder dahin, wo sie hingehören. So betreiben wir keinen Raubbau an der Natur, sondern leihen uns ihre Rohstoffe lediglich aus.“

„Wie Papier, Glas und Metall sind auch Schuhe ein wiederverwendbarer und recycelbarer Rohstoff“, heißt es bei Reno. Auf einem Werbe-Handzettel mit abgebildeter Erdkugel informiert der Osnabrücker Discounter darüber, dass durch die Rücknahme Rohstoffe von Schuhen zurückgewonnen werden. Alte Schuhe würden weiterverarbeitet.

50 Cent pro PaarBotschaften, die das Gewissen beruhigen könnten. Aber einfach so glauben will ich das alles nicht – und teste deshalb die angepriesene Rücknahmelösung mit einem alten Paar Sportschuhe. Aufgerissen und ausgelatscht wie sie sind, kann ich sie nicht mehr tragen oder gar jemand anderes zumuten.

Ich schleppe sie also zur nächsten Reno-Filiale in einem Hamburger Einkaufszentrum. Im Eingangsbereich steht ein Automat mit einer Klappe. Ich ziehe daran, stelle die Schuhe auf eine vorgesehene Fläche mit zwei Fußabtritten und schließe die Klappe wieder. Mit einem dumpfen Geräusch fallen die Sportschuhe in die Höhle des Behälters, der dann Sekunden später einen Gutscheinbon über 50 Cent ausspuckt. „Umweltbewusstsein zahlt sich aus!“ steht auf dem Zettel. So lässt sich beim nächsten Kauf bei Reno etwas Geld sparen.

„Rücknahmesysteme sind ein zutiefst widersprüchliches Marketinginstrument.“

Schon dieser erste Schritt auf dem Rücknahmeweg gehe in die falsche Richtung, bemängeln Kritiker. Thomas Ahlmann von Fairwertung, dem Dachverband gemeinnütziger und kirchennaher Altkleidersammler, moniert: „Rücknahmesysteme wollen angeblich den Müllberg verkleinern, locken aber die Kunden in die Geschäfte und animieren sie durch Rabatte umgehend zum Kauf von Sachen. Sie sind ein zutiefst widersprüchliches Marketinginstrument.“ Auch Greenpeace-Chemieexperte Manfred Santen sieht die Belohnungen als Anreiz für neuen Konsum. „Das ist nicht im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips und führt zu mehr Abfall.“

Der Rücknahmeautomat bei Reno in Hamburg gehört I:Collect. Das international tätige Recyclingunternehmen ist 2009 ins lukrative Geschäft mit gebrauchten Textilien eingestiegen und will den Altkleidermarkt revolutionieren.

Recycling nach dem Cradle-to-Cradle-PrinzipDas Unternehmen verspricht, Schuhe, Kleidung, Bettwäsche oder Gürtel in einen geschlossenen Materialkreislauf zu bringen und darin zu halten. Bis 2020 soll aus jeder Produktgruppe mindestens ein Artikel in einem solchen Kreislauf stehen. Ziel ist ein sogenanntes Upcycling, bei dem aus einem Produkt ein gleich- oder höherwertiges Produkt wird, also zum Beispiel aus einem alten Sneaker ein neuer. „Dieser könnte dann in seiner Produktionsweise als Vorbild für die Industrie dienen“, stellt sich I:collect-Mitbegründer Stephan Wiegand vor, der bis Frühjahr 2015 Geschäftsführer des Unternehmens war.

I:Collect baut dabei auf das Cradle-to-Cradle-Prinzip (von der Wiege zur Wiege): Das vom deutschen Chemiker Michael Braungart entwickelte Konzept zielt darauf ab, Produkte so herzustellen, dass deren Bestandteile ewig im biologischen oder technischen Kreislauf zirkulieren können. Laut Braungart bietet sich dies für Schuhe und Textilien besonders an, da sie meist eine sehr kurze Lebensdauer haben.

Eine zu kühne Vision? Immerhin hat I:Collect mit bisher 3000 Sammelstellen in Europa und den USA sowie mit dem sogenannten „Take-Back-System“ bereits die logistische Infrastruktur geschaffen, um Kleidung und Schuhe im Kreislauf zu halten: Paketdienstfahrer, die Waren ausliefern, steuern die Partnergeschäfte aus dem Handel an – darunter H&M und Desigual – und holen die Ware ab. Im Fall von Reno werden sie im Express-Service zum Werk der Soex Group in Wolfen in Sachsen-Anhalt gebracht. Die Mutter von I:Collect ist nach eigenen Angaben das weltweit führende Unternehmen für Alttextilvermarktung und -recycling.

Auch meine Schuhe landen dort. Übrigens: Wenn ich sie vorher im Puma-Geschäft in Hamburgs Innenstadt oder bei einer anderen der insgesamt 1500 I:Collect-Sammelstellen für Schuhe in Deutschland abgegeben hätte, wären sie ebenfalls nach Wolfen gekommen. Sind Rücknahmesysteme im Handel also nur eine neue Form von gewerblicher Kleidersammlung, wie Fairwertung kritisiert?

„Verschärfter Kampf“ um Altkleider„Seit Inkrafttreten des neuen Kreislaufwirtschaftgesetzes hat sich der Kampf um Altkleider verschärft“, sagt Fairwertung-Vertreter Ahlmann. „Angesichts zunehmender Sammelaktivitäten der Kommunen suchen die gewerblichen Firmen aus der Alttextilbranche nach neuen Wegen und Kanälen, um sich Ware zu sichern.“

I:Collect dagegen behauptet, dass mehr als Sammlung geleistet wird. So engagiere man sich in der Forschung nach rezyklierbaren Materialien und man wolle so viele sekundäre Rohstoffe wie möglich aus Schuhen gewinnen. Bei Textilien sei bereits ein Upcycling gelungen: Eine Stofftasche, die zu 100 Prozent aus gebrauchten Textilfasern hergestellt wird.

Eine Tasche, das klingt eher mager. Wie weit I:Collect bei der Verwertung von Schuhen ist, zeigt sich in Wolfen. Beim Soex-Werk landen allein täglich 37.500 Paar. Ein näherer Blick darauf, was dort aus meinen und den anderen Schuhen wird, wäre schön. Schließlich hatte I:Collect in einer Pressemitteilung vom Herbst 2013 selbstbewusst angekündigt, „innerhalb eines Jahres die Wiederverwertung aller in Schuhen verarbeiteter Materialien [zu] erreichen.“ Dazu wurde im Rahmen eines Pilotprojekts eine industrielle Schuh-Upcycling-Anlage aufgebaut.

Ein schwieriger BesuchWie die Anlage funktioniert, würde ich gerne vor Ort anschauen. Doch die Unternehmensvertreter von I:Collect und Soex halten mich mit einem Termin über Monate hin: Zunächst argumentiert die Marketing-Frau damit, dass Besuche wegen Umbaumaßnahmen im Werk vorerst nicht möglich seien. Einige Wochen später stellt sie auf erneuter Anfrage eine Werksführung in Aussicht, meldet sich dann aber nicht. Nach weiteren Kontaktversuchen teilt mir der PR-Mann mit, dass der Verantwortliche im Werk Wolfen für die Upcycling-Anlage krank sei. Zudem müsse der Wissenschaftler der teilnehmenden englischen Universität bei einer Besichtigung mit anwesend sein.

Seitdem ist Funkstille. Fragen hat der PR-Mann schriftlich eher allgemein beantwortet: Die eingesammelten Schuhe werden händisch sortiert. Der größte Teil – noch tragbare Schuhe – wird als Second-Hand-Ware weltweit weitervermarktet, also wiederverwendet. Ein Teil der nicht mehr tragfähigen Schuhe wird entsorgt. Diese landen also über Umwege doch noch in klassischen Verbrennungsanlagen.

Ein hochwertiges Recycling der Schuhe findet bisher kaum statt. In der Praxis sei man da bisher nicht sehr weit, es stecke noch in den Kinderschuhen, heißt es beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE). So ist es technisch lediglich möglich, die Gummisohle von Schuhen zu recyceln. Diese wird vom Rest des Schuhs abgetrennt und in einem speziellen Verfahren weiterverarbeitet.

Die Treter werden danach am ehesten zu minderwertigeren Produkten wie Dämmmaterial in der Bauindustrie, also downgecycelt. I:Collect-Mitbegründer Wiegand gibt zu, „nicht zufrieden damit zu sein“, wenn man Schuhe nur schreddern und etwa der Industrie als Füllmaterial im Straßenbau geben könne: „Wenn der Belag erneuert werden muss, dann ist der Rohstoff für immer weg.“ Der letzte Schritt, der nach Meinung aller Beteiligten zu früh komme.

 

Cradle-to-Cradle-Entwickler Braungart hat zudem vor einigen Jahren einen ungiftigen, komplett recycelbaren Schuh für Nike kreiert; bei seinem Konzept werden nur wenige Chemikalien verwendet. Andere große Unternehmen bieten zwar nicht recycelbare Treter an, sind aber bei der Herstellung aktiv geworden: Modekonzern Esprit etwa präsentiert seit vergangenem Jahr eine vegane Sneakerkollektion für Frauen, die das Label der 'PETA-Approved Vegan' der Tierrechtsorganisation PETA trägt. Aufgrund des Erfolgs hat das Unternehmen aus Ratingen jüngst das tier- und umweltfreundliche Angebot um Modelle wie Ballerinas, Sandalen und Slipper erweitert.

Nun will gar Händlerriese Tchibo, der bei einem aktuellen Greenpeace-Test von umwelt- sowie gesundheitsschädlichen Chemikalien in Kinderkleidung und -schuhen schlecht abgeschnitten hatte, seine Produktion entgiften und nur noch vollständig wiederverwertbare Artikel anbieten. Die Hamburger Kaffeehandelskette hat sich Ende 2014 als erstes Unternehmen schriftlich gegenüber Greenpeace verpflichtet, Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus aller Produkte zu übernehmen.

Die Grundmotivation ist gesetzt

„Die Unternehmen sehen, dass sie nicht mehr für den Müll produzieren dürfen“

I:Collect-Mitbegründer Wiegand sieht daher bei einigen Herstellern zumindest „die Grundmotivation gesetzt“, wie er sagt: „Die haben verstanden, dass sie Schuhe künftig nur herstellen können, wenn die nächsten Verwendungszwecke nach dem ersten Lebenszyklus schon feststehen. Die Unternehmen sehen, dass sie nicht mehr für den Müll produzieren dürfen.“

Noch aber beißen sich die Experten am Schuhrecycling die Zähne aus. In Wolfen ist die Maschine dafür bisher eine Pilotanlage. Besonders schwierig ist es, speziell das Obermaterial mit seinen vielen Einzelmaterialien wieder als Rohstoff zu gewinnen. Die Gretchenfrage, so Wiegand, laute: Wie lassen sich die einzelnen Bestandteile erfolgreich voneinander trennen? Hier stehen die Experten wieder vor einer typischen Barriere der Hersteller: „I:Collect ist abhängig davon, dass bei der Produktion ganz bestimmte Materialien verwendet oder eben nicht verwendet wurden“, sagt er.

Gegebenenfalls versuche man mit Hilfe des Handels, die Industrie zu sensibilisieren: „Wenn die Mitarbeiter bei der Trennung der Schuhmaterialien an Grenzen stoßen, teilt I:Collect mit, dass beispielsweise ein Klebstoff die ganze Charge versaut“, erklärt Wiegand. Eine große Herausforderung: „Manche aus der Industrie reagieren nur, wenn der Handel dahinter steht und sie auffordert, die Materialien zu wechseln.“

Und wie soll erreicht werden, dass die upgecycelten Schuhe keine giftigen Chemikalien enthalten? Dies, so teilt der PR-Mann von I:Collect schwammig mit, sei eine langfristige Entwicklung, die nicht von heute auf morgen gehen könne und die sich aus der gemeinsamen Kooperation zwischen Herstellern, Händlern und Recyclingunternehmen ergeben werde.

Einzelne Teile, etwa Leder, sollen in der nächsten Projektphase wiederverwertet werden. Doch durch einen Recyclingprozess 100 Prozent der eingesetzten Stoffe zu erhalten, das ist für manche Experten utopisch.

Verkauf in Afrika einfacher als RecyclingBis dahin hält I:Collect viele Altschuhe durch Second-Hand-Verkauf im Kreislauf. Mit dem verdienten Geld finanziert das Unternehmen nach eigener Aussage neue Methoden sowie technische Möglichkeiten eines Re- und Upcyclings. In Nairobi sammelt I:Collect gemeinsam mit dem kenianischen Wertstoffunternehmen Taka Taka Solutions ausgediente Kleidung und Schuhe an 5000 Sammelstellen ein, die meist ursprünglich als Second-Hand-Ware ins Land gekommen waren.

Mitarbeiter nehmen die Treter von Hand auseinander und analysieren, wie die Materialien verwertet werden können. Dies wird in einer Rohstoff-Datenbank festgehalten, um geschlossene Kreisläufe auch in den Exportmärkten zu ermöglichen. Ein sportliches Ziel.

Bei meinen Schuhen, die aufgrund ihres Zustands auf keinen Fall mehr auf eine Reise nach Afrika oder Osteuropa geschickt werden dürften, ist nur zu hoffen, dass sie wenigstens downgecycelt werden konnten und die Verkaufserlöse in neue Recyclingmethoden geflossen sind. Vielleicht sind sie stattdessen jedoch verbrannt worden. Dann hätte ich mir den Extra-Weg zum Rücknahmeautomaten sparen können.

Auch Nike meint es gutWas wäre eigentlich geschehen, wenn ich meine Schuhe bei Nike abgegeben hätte? Der Sportartikelanbieter zählt zu den Rücknahme-Pionieren von Schuhen im Handel: In den USA zum Beispiel nimmt Nike sie seit 1990, in Deutschland seit 2007 zurück. Beim sogenannten „Reuse-a-shoe“-Programm sammelt der Konzern Sportschuhe jeder Marke ein, die nicht mehr tragbar sein sollen. Hierzulande hat man bei der Rückgabe allerdings einige Hürden zu meistern, obwohl der Konzern auf seiner Webseite behauptet, „Schuhe recyceln ist extrem einfach“.

„Schuhe recyceln ist extrem einfach“

Zu Programmbeginn konnte man seine abgetragenen Sportschuhe in Nike-Geschäften in Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main und Zweibrücken lassen, inzwischen ist dies zumindest in Hamburg nicht mehr möglich. Eine Nachfrage vor Ort ergab, dass es dort tatsächlich mal eine Box gab, in die man Ausgedientes einwerfen konnte. Warum das inzwischen nicht mehr möglich ist, lässt Nike unbeantwortet. Derzeit kann man Sportschuhe nur direkt zu einem Recycling-Werk von Nike im belgischen Meerhout schicken, würde damit aber den ökologischen Nutzen des Recyclings schmälern, wie der Konzern selbst auf seiner Webseite zugibt. Zudem übernimmt Nike keine Versandkosten.

Auch dieses Werk hätte ich gerne näher angeschaut. Ein PR-Mann teilte mir mit, dass die Nike-Kollegen in den USA zuständig seien. Die jedoch haben, trotz mehrfacher Nachfragen, bis heute keine der Fragen zum Recycling und zu einem möglichen Besuch des Nike-Werks in Belgien beantwortet. So bleiben folgende Informationen: Im Recycling-Werk werden die Schuhe als Ganzes gemahlen; das gewonnene Material gelangt anschließend durch eine Reihe von Separatoren und wird zu Nike Grind verarbeitet. Dieser Grind aus dem Gummi der Laufsohle, Schaumstoff aus der Mittelsohle und Gewebe aus dem Obermaterial wird teilweise von Nike in Textilien und Sohlen neuer Schuhe verwendet, hauptsächlich aber von anderen Unternehmen als Bodenbelag für Sport- und Spielplätze.

Es findet also wiederum „nur“ ein Downcycling statt, kein hochwertiges Recycling. Weltweit gibt es nach Konzernangaben inzwischen 450.000 Plätze aus diesem Material, rund 28 Millionen Paar Sportschuhe wurden dafür abgegeben.

Kleine Hersteller verantwortungsbewusster als große Ketten

„Die Verantwortung tragen die Marken“

Für ihre Verarbeitung zu Belägen und Schuhsohlen, so erklärt Greenpeace-Experte Santen, seien Teile des Schuhmaterials, zum Beispiel die Gummisohlen oder bei Plastikschuhen Kunststoffe wie Polyethylen, Polyamid und Polypropylen zwar geeignet – aber nur, solange sie keine Zusatzstoffe wie Weichmacher enthielten. Diese können Gesundheits- und Umweltprobleme auslösen. Die eingesetzten Substanzen, so warnt er, dürften auch nach Ablauf der Nutzungsdauer nicht unkontrolliert in die Umwelt gelangen; Materialien und Produkte müssten auf den Gehalt gefährlicher Stoffe geprüft werden, bevor sie wiederverwertet werden. „Generell gilt: Die Verantwortung für den gesamten Produktzyklus, also auch für den Zeitraum nach der Nutzung, tragen die Marken“, erklärt er.

Bei Greenpeace hat man mehrere Vollsortiment-Anbieter wie Aldi und Lidl, die ja auch Schuhe und Kleidung verkaufen, unter anderem zur „Post-Nutzungsphase“ befragt – und wenig bis kein Engagement festgestellt. Die Umweltschützer sind sich nach der aktuellen Umfrage sicher: Müssten die untersuchten Händler ihre eigenen Sachen zurücknehmen, würden sie von Anfang an sauberer produzieren.

Eine andere Art der Rücknahme betreiben bereits kleinere Unternehmen wie die Lunge Manufaktur im mecklenburgischen Düssin. Kunden können ihre abgelaufenen Sportschuhe an den Hersteller zurücksenden, der diese dann gegen eine Reparaturgebühr neu besohlt. Das ist eine Möglichkeit, um weg von der Wegwerfmentalität zu kommen und Schuhen ein verlängertes Leben zu bescheren.

Das ist aber keine Lösung für Fitnessschuhe wie meine, die inzwischen unreparierbar sind. Der Versuch hat gezeigt: Sie können derzeit auch noch nicht als hochwertiges Recyclingprodukt weiterleben – trotz aller Werbung. Ob sie inzwischen irgendwo im Straßenbelag stecken oder doch verbrannt wurden, bleibt offen. Nun müssen neue Sportschuhe fürs Training her, idealerweise unter guten Arbeitsbedingungen hergestellt und aus umweltfreundlichen Materialien bestehend. Maximal haltbar sowieso, hilfreich wär's ja. Selbst wenn mir ein solcher Erwerb gelingen sollte: Es sind noch große Schritte nötig, bis aus Schuhen wieder neue werden können.

 

*** Dieser Text entstand im Rahmen des Journalisten-Stipendiums Nachhaltige Wirtschaft. Alle Informationen zum Stipendium erhalten Sie unter diesem Link.***

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