Grüne Chemie Fünf Startups, die Sie kennen sollten

Algen, Mikroben, Pflanzenreste: Unzählige Startups wollen die Chemiebranche mit neuen Verfahren grüner machen. Wir stellen die fünf spannendsten vor.

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Saubere Technologien kommen aus der Solarbranche, der Automobilindustrie, der Abfallwirtschaft. Da ist zum Beispiel Tesla Motors, der junge Autohersteller aus Kalifornien, der Elektroautos sexy macht. Oder der belgische Recycling-Spezialist Umicore, der erst kürzlich zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gekürt wurde. Es gibt unzählige weitere junge Unternehmen, die Erneuerbare Energien bezahlbar und effizient machen. Beleuchtung, Landwirtschaft, Informationstechnik – solche Sachen stehen für den grünen Fortschritt.

Die Liste ließe sich erheblich verlängern. Doch wem würde ausgerechnet die Chemieindustrie einfallen? Sie ist für Umweltskandale bekannt, für Produktionsprozesse, die Unmengen an Energie verbrauchen und die Luft verpesten. Für LKW und Güterzüge, die hochgiftige Substanzen transportieren. 58 Prozent der Deutschen haben ein negatives Bild von der Chemieindustrie, zeigte 2011 eine Studie des Beratungsunternehmens OPC. Im gleichen Jahr, vor der großen Strompreisdiskussion, maßen 99 Prozent der Deutschen in einer Umfrage der Solarenergie „eine besonders hohe Bedeutung für die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland“ bei.

Für Bruno Rudnik hat das vor allem mit Unwissen zu tun. Er ist Gründer und Chef der auf den Cleantech-Sektor spezialisiterten Unternehmensberatung Sustech Consult und beobachtet die Chemiebranche seit langem. Ihm zufolge wird es gerade die Chemie sein, die einen grünen Umschwung beschleunigt. Denn sie sei nicht nur bei Speichertechnologien, biologisch abbaubaren Kunststoffen und Recycling-Prozessen entscheidender Innovationstreiber. „Chemikalien kommen in fast allen Produktionsprozessen zum Einsatz – wenn die Chemie grüner wird, hat das Effekte auf die gesamte Wirtschaft“, sagt Rudnik. So gesehen ist die Chemie vergleichbar mit der Stromproduktion.

„Außerdem sehen wir gerade einige Unternehmen, die völlig neue Konzepte entwickeln“, sagt er. „Statt nur an einem Glied der komplexen chemischen Wertschöpfungskette anzusetzen, nehmen sie sich die gesamte vor.“

Wir haben nach jungen Chemie-Unternehmen gesucht, die für diese grüne Revolutionen stehen. Dabei wurde schnell klar: Chemie ist nicht mehr nur, wenn es kracht und stinkt. Chemie ist heute, wenn das Gegenteil passiert. Die fünf vielversprechendsten Unternehmen der grünen Chemie stellen wir vor.

Genomatica: Bakterien als ChemiehelferGenomatica aus den USA könnte die Produktion wichtiger Chemikalien umkrempeln. Das Unternehmen hat Verfahren entwickelt, bei denen es mithilfe von Mikroorganismen chemische Zwischenprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen, sprich Pflanzen, herstellt. Pilotprojekt ist die Großproduktion von 1,4 Butanediol (BDO), einer geruch- und farblosen Flüssigkeit, die als Zwischenstoff in der Kunstoffproduktion verwendet und auch in der Pharmabranche gebraucht wird. Am Ende landet der Stoff in verschiedenen Arten von Plastik, aber auch in Lösungsmitteln und Garnen. Die Hoffnung des Unternehmens: Mit der Zwischenstoff-Produktion auf erneuerbarer Basis sparen Chemiekonzerne Geld und Chemikalien und werden nachhaltiger.

20 Produktionsprozesse hat Genomatica schon entwickelt und will Lizenzen dafür an große Chemieunternehmen verkaufen. Im Fall von Butanediol könnte das beispielsweise BASF sein, der weltgrößte Hersteller des Stoffes. In diesem Jahr startet Genomatica die Produktion von BDO auf industriellem Niveau. Im Januar gab das Unternehmen bekannt, in fünf Wochen BDO im Wert von rund fünf Millionen Dollar hergestellt und sofort verkauft zu haben. Auf Genomatica wartet allein in diesem Bereich ein vier Milliarden Dollar schwerer Weltmarkt. Schafft der Konzern eine dauerhaft so hohe Produktion, wird das Genomatica-BDO günstiger sein, 60 Prozent weniger Energie verbrauchen und 70 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als BDO aus Erdgas.

Avantium: Plastik ohne Erdöl Das niederländische Spezialchemie-Unternehmen Avantium hat ein katalytisches Verfahren entwickelt, mit dem es nachwachsende Rohstoffe in eine patentierte Technologieplattform namens "YXY" umwandeln kann. Mit dem Ergebnis lassen sich Polyester ersetzen, die zum Beispiel als Rohstoff für PET-Flaschen dienen. Deshalb hat auch Coca-Cola schon eine strategische Partnerschaft mit Avantium zur Entwicklung der so genannten „Plant Bottle“ (siehe Aufmacherbild) geschlossen. Das Ziel: Bald Plastik benutzen zu können, das nicht mehr erdölbasiert ist. So rüsten sich Konzerne wie Coca-Cola mithilfe der Chemie für die Zukunft. Nach Unternehmensangaben sind die Einsparpotenziale des Bioplastiks dabei enorm: Bereits mit der heute verfügbaren Technologie spart Avantium bei der Herstellung mehr als 50 Prozent CO2 gegenüber petrochemischem PET.

LanzaTech: Abgase zu TreibstoffenGlaubt man an die Idee von LanzaTech, könnten ausgerechnet Treibhausgase aus Fabriken der wirtschaftlichste Rohstoff zur Produktion von Treibstoff sein. Davon sind zumindest einige Investoren von den Neuseeländern überzeugt – darunter der malayische Ölkonzern Petronas – die knapp 56 Millionen Dollar in das Startup gesteckt haben.

LanzaTech hat im Darm von Kaninchen eine Mikrobenart entdeckt, die Kohlenmonoxid- und Kohlendioxid-Moleküle frisst, aufspaltet und in Ethanol umwandelt. Gentechnisch veränderte Versionen dieser Bakterien können aus Abgasen beispielsweise Buthanol und Propanol herstellen, die dann als Bausteine in der Treibstoffproduktion dienen. Ende 2012 ging die erste Großproduktion in einer Schanghaier Fabrik des chinesischen Stahlkonzerns Baosteel los – die Mikroorganismen futtern hier ganze 300 Tonnen Abgase pro Jahr.

Elevance: Algenöl auf der HautDas US-Unternehmen Elevance will künftig in der Lage sein, mittels einer sogenannten Metathese-Katalyse Spezialchemikalien beispielsweise für die Kosmetik-, Reinigungsmittel- und Schmierstoffproduktion herzustellen. Dabei nutzt Elevance natürliche Öle aus nachwachsenden Rohstoffen, etwa Sojabohnen, Raps, Palmen oder Algen. Mehrere hundert Millionen Dollar hat das Unternehmen schon eingesammelt, erste Chemiekonzerne meldeten Interesse an. Eine Großproduktion lässt noch auf sich warten.

Beta Renewables: Ölkonkurrenz aus PflanzenabfallBeta Renewables aus Italien hat eine Technologie entwickelt, um kostengünstig Zellulose-Ethanol herzustellen. Als Rohstoffe kommen dabei nicht essbare Energiepflanzen und Holzabfälle infrage, die mit Enzymen vorbehandelt und dann fermentiert werden. Ende 2012 hat das Unternehmen die weltweit erste Großanlage in Betrieb genommen, in der das Verfahren zum Einsatz kommt. Nach eigenen Angaben sind die Ethanole schon ab einem Ölpreis von 70 Dollar pro Barrel konkurrenzfähig zu fossilen Treibstoffen. Und so günstig war Rohöl schon lange nicht mehr.

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