Radfahren in der Stadt Fünf Ideen, wie Straßen sicherer werden

Wer in deutschen Städten mit dem Drahtesel unterwegs ist, hat es schwer. Doch es wäre leicht, Radfahrer besser zu schützen.

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Feierabend nach getaner Arbeit, die Luft ist kühl, die Kette frisch geölt, der Weg nach Hause ist nicht weit. Doch nach wenigen Kilometern auf einem gut ausgebauten Radweg zwischen Fahrbahn und Bürgersteig wird die Fahrt vom Büro zur Teilnahme an einem Kulturkampf: Am rechten Straßenrand Baustellen, links zwei Spuren für gestresste Autofahrer im Berufsverkehr, die um jeden Meter streiten, Busse überholen mit nur wenigen Zentimetern Abstand zum eigenen Lenker, parkende Autofahrer öffnen die Fahrertür, ohne zu schauen – der tägliche Weg mit dem Fahrrad birgt einiges an Adrenalinpotenzial.

Diese Erfahrung ist aber keine Ausnahme – solche und ähnliche Szenen erlebt eine wachsende Zahl von Berufstätigen in deutschen Städten. Sie lassen morgens das Auto stehen oder besitzen gar keines, sie fahren teils ganzjährig mit dem Rad und müssen dabei in Kauf nehmen, dass sie an der nächsten Ecke jemand über den Haufen fährt.

Vermeidbare TodesfälleDenn Deutschland ist, so zeigte vor wenigen Tagen eine Untersuchung des ADAC, in Sachen Fahrradverkehr Entwicklungsland. Der Automobilclub hat für eine Studie die größten deutschen Städte auf ihre Fahrradfreundlichkeit hin untersucht. Das Fazit der Tester ist ernüchternd: Die Bedingungen für Radfahrer sind miserabel, keine Stadt kam in der Gesamtwertung über ein „durchschnittlich“ hinaus. Fahrradwege sind schlecht ausgebaut, in miesem Zustand, oder fehlen ganz. Es mangelt an Schildern, jeden Tag passieren Unfälle, es gibt zu wenig geeignete Abstellmöglichkeiten für die Drahtesel.

Im Schnitt ist im vergangenen Jahr fast jeden Tag ein Radfahrer auf deutschen Straßen tödlich verunglückt, hat das Statistische Bundesamt gezählt – die meisten Unfälle passierten in Städten. Mehr als 71.000 Fahrradunfälle haben die Statistiker für 2013 dokumentiert. Man muss kein notorischer Radfahrer sein, um das für zu viel zu halten.

Man muss auch kein Prophet sein, um zu erahnen, dass viele dieser Unfälle vermeidbar wären – wenn die Umstände für den Fahrradverkehr besser wären. Immerhin: Der Report des ADAC ist keine reine Schwarzmalerei, denn er enthält auch die Nachricht, dass sich derzeit vielerorts etwas tut. Stadtplaner entwerfen Verkehrskonzepte zur Verbesserung der Radinfrastruktur, es gibt Image-Kampagnen, die Werbung für das Radfahren zur Arbeit und Schule machen, mit Förderprogrammen beteiligen sich Landes- und Bundesministerien an kommunalen Projekten.

Wenn sie sich nur sicherer fühlten, sagen Wissenschaftler und die Bürger selbst in Umfragen, würden auch mehr Menschen aufs Rad umsteigen. Wie das zu erreichen ist, haben wir in fünf Ideen zusammen getragen:

1. Ein echtes Radwegenetz knüpfenDer Blick auf den Stadtplan zeigt in allen deutschen Städten ein seit langer Zeit gewohntes Bild: Der Begriff Verkehrsnetz ist gleichbedeutend mit Straßennetz. Wird heute eine Straße ausgebaut, denkt man meistens auch an die Radfahrer – Radspuren auf der Fahrbahn sind das Minimum. Was in den meisten Orten aber fehlt, ist eine weitreichende Radverkehrsplanung und damit ein flächendeckendes Radwegenetz. Der Weg durch die Stadt führt dann nur stückweise über Radwege, immer wieder müssen Radler auf die Straße ausweichen.

Wie es besser geht zeigt zum Beispiel München: Dort sind inzwischen 300 Einbahnstraßen in beide Richtungen für Radfahrer freigegeben, es gibt 50 eigene Fahrradstraßen und in beide Richtungen befahrbare Radwege.

Solche Ideen hält auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) für sinnvoll. In dessen Grundsatzprogramm heißt es: „Wir setzen uns für durchlässig gestaltete Radverkehrsnetze ein, die Vorteile gegenüber dem Autoverkehr bieten“, heißt es da, mit „besonderer Beachtung der radfahrgerechten Lösung der Knotenpunkte und Querungsstellen“.

2. Kreuzungen sicherer machen

Ein Radweg kann so gut sein, wie er will, ein großes Problem bleiben die Kreuzungen, an denen Radfahrer gern übersehen werden. Abhilfe schaffen könnten neue Kreuzungskonzepte wie jenes des Stadtplaners Nick Falbo, das WiWo Green im vergangenen Februar vorgestellt hat. An den Ecken der Kreuzung sieht er Verkehrsinseln vor, die einige Meter in die Kreuzung hineinragen. Autofahrer müssen sie außen umfahren und sehen die Radfahrer so besser, wenn sie abbiegen.

Ein weiterer Vorteil: Dank der Verkehrsinseln warten Radfahrer einige Meter vor den Autos auf grünes Licht. So haben sie kürzere Wege, sind aus dem toten Winkel raus und sind im Optimalfall schon weg, wenn die abbiegenden Autos ankommen.

3. Mehr Radschnellwege bauenDie Stadt Köln macht sich gerade beliebt bei ihren Pendlern und Studenten – mit einem Highway, der mitten durch die Stadt führen soll. Genauer gesagt: Die Domstadt plant einen Fahrradschnellweg von Frechen nach Köln, über den Pendler nur noch halb so lange in die Stadt brauchen sollen, wie bislang.

Neben der in Köln angedachten Strecke soll von Aachen aus ein Schnellweg in die Niederlande führen; auch in Düsseldorf, dem Münsterland und Ostwestfalen fördert das Land Nordrhein-Westfalen den Bau solcher Strecken.

Die Radschnellwege sind dabei nicht mit herkömmlichen Fahrrad- oder Radwanderwegen zu vergleichen: Ein eigener Belag und ein ebenes Niveau sollen den Rollwiderstand senken, Radler können problemlos nebeneinander fahren und trotzdem überholt werden. Und an den Anschlusskreuzungen sollen sie Vorfahrt haben.

4. Die Bürger fragenIm Juni machte die Süddeutsche Zeitung vor, wie Städte mehr über die Wünsche und Probleme ihrer Radfahrer lernen können. An dem Crowdsourcing-Projekt „360° - Problemstraßen in München“ beteiligten sich in weniger als einer Woche knapp 4000 Menschen. Sie konnten auf einem Stadtplan Stellen im Münchner Verkehrsnetz anklicken, an denen sie sich besonders gefährdet fühlen – je mehr Menschen den gleichen Ort identifizieren, desto größer das Problem.

Heraus kam der Gefahren-Atlas, der zeigt, wo Radfahrer in München am unsichersten unterwegs sind – für die Kommunalpolitiker in der bayrischen Landeshauptstadt, die bis 2020 offiziell zur „Radlhauptstadt“ werden will, ein Dokument, das ihnen zeigt, wie viel Nachholbedarf es gibt. Obendrein ist es voller Lösungsvorschläge. Das Projekt zeigt, wie engagiert Radfahrer sind, wenn man sie denn fragt.

5. Präsenz zeigen

Wenn selbst die Verkehrsplanung nicht hilft, die Straßen für Radler sicherer zu machen, tut es vielleicht ein neues Fahrradlicht vom britischen Unternehmen Blaze. Neben einem normalen Licht für die Dunkelheit projiziert es auf Knopfdruck und per Laser ein grünes Fahrradsymbol fünf Meter vor dem Radfahrer auf die Fahrbahn. Das soll die Gefahr des toten Winkels verringern. Immerhin knapp 80 Prozent der Fahrradunfälle passieren, wenn Autos und Busse abbiegen, schreiben die Entwickler auf ihrer Webseite. Das Radlicht mit integriertem Laser kostet 125 Pfund (ca. 160 Euro).

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Leben Sie in einer Großstadt und fahren gerne Fahrrad? Dann würden wir von Ihnen gerne wissen: Welche Ideen haben Sie, um Ihre Stadt fahrradfreundlicher zu machen? Schicken Sie uns Ihre Ideen an green@wiwo.de. Die spannendsten greifen wir in einem Artikel auf.

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