Nachhaltigkeit Als das Wachstum an seine Grenzen stieß

Unsere Kolumnistin Iris Pufé erklärt an dieser Stelle die Ursprünge der Nachhaltigkeit.

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Von Iris Pufé. Die Unternehmensberaterin für Nachhaltigkeit lehrt Corporate Social Responsibility (CSR) unter anderem an der Hochschule München. Sie hat mehrere Bücher zum Thema Nachhaltigkeit geschrieben. Iris Pufé erklärt in ihrer Kolumne bei WiWo Green regelmäßig die Grundlagen von Nachhaltigkeit und der Nachhaltigkeitsdiskussion.

Die letzte Kolumne führte uns zu den Ursprüngen der Nachhaltigkeit und dessen Begründer, Carl von Carlowitz. Ausgehend vom Jahr 1713 spannten wir den Bogen bis in die 1970er Jahre. Der Zeit, als Wissenschaftler – wie Dennis Meadows oder Herman Daly – das Nachhaltigkeitsprinzip auf die politische Bühne zu heben versuchten. Denn es häuften sich die Zeichen, dass gerade der Gedanke weitsichtiger Ressourcenwahrung die Erneuerung einer menschlich wie ökologisch erschöpften Gesellschaft befördern könnte.

Aber wie hat sich das Nachhaltigkeitskonzept seit Meadows & Co. herausgebildet? Welche Konferenzen, Dokumente und politischen Meilensteine haben aus der Weltrettungsvision ein salon- und marktfähiges Konzept gemacht? Was braute sich im Elfenbeinturm der Wissenschaft zusammen, so dass ein Wandel in Politik und Gesellschaft – angesichts eingetretener wie befürchteter Schäden – nur eine Frage der Zeit war?

Die moderne Nachhaltigkeitsdiskussion begann 1972, als der Bericht „Grenzen des Wachstums“ erschien und einschlug wie eine Bombe. Der Bericht malte ein düsteres Bild der Zukunft des Planeten, falls die Menschheit es nicht schaffe, ressourcenverträglicher zu wirtschaften. „Wachstum ist herrlich, doch Wachstum ist endlich“, lautete der Slogan von damals.

Bericht als Geburtsstunde moderner NachhaltigkeitDie „Grenzen des Wachstums“ markieren den Beginn der jüngeren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit nachhaltiger Entwicklung. In der Konsequenz forderte der Bericht nichts anderes als eine neue „Weltkonjunkturpolitik". Im Einzelnen lauteten die Forderungen:

- Es brauche einen weltweiten Gleichgewichtszustand, eine sogenannte Homöostase.

- Die Menschheit dürfe sich nur so viele Ressourcen zu Nutze machen, wie sich auf natürliche Weise auch regenerieren können.

- Außerdem sollte eine gerechtere Verteilung von Wachstum und Wohlstand zwischen Nord und Süd angestrebt werden. Denn die Kluft zwischen den Wohlstandsbäuchen der reichen Länder des Nordens und den Hungerbäuchen der armen Staaten des Südens wurde auch bildlich immer evidenter.

Dennis Meadows und sein Forscherteam warnten: Falls sich nichts ändere, „werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

Zusätzlichen Auftrieb bekam die Nachhaltigkeitsbewegung auch durch die Weltraumperspektive (hier ein Video über die damalige NASA-Mission). 400.000 Kilometer von der Erde entfernt meinte der Astronaut Eugene Cernan 1972: „Wir brachen auf, um den Mond zu erkunden, aber tatsächlich entdeckten wir die Erde.“ Er und seine Kollegen sprachen von der blauen Weltkugel als fragil und verletzlich.

Worten sollen Taten folgenWie die Erde drehte sich auch die Wissenschaft weiter und brachte neue Erkenntnisse mit sich. Klimaforscher, Geologen, Ozeanologen: Sie alle trugen dazu bei, dass sich die Datenlage erhärtete, dass die Welt auf einen Ressourcenkollaps zusteuerte. Diesen Erkenntnissen konnten sich auch hartgesottene Ökonomen und Politiker nicht entziehen.

1983 gründeten die Vereinten Nationen deshalb die unabhängige Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Der Bericht enthält die Definition von nachhaltiger Entwicklung, die bis heute am weitesten verbreitet und anerkannt ist: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende“.

Dass Umweltprobleme auch wirtschaftliche Probleme sind, zu diesem Ergebnis kam später auch der Weltklimarat (gergündet 1988), der erstmals ein breite Öffentlichkeit auf den Zusammenhang von steigenden CO2-Emissionswerten und der damit einhergehenden Klimaveränderung aufmerksam machte.

Die Kosten von Umweltschäden beziffern – auch damit stieß die Wissenschaft auf Gehör. Weltweite Beachtung fand deshalb im Jahr 2006 der rund 650-seitige Stern Review on the Economics of Climate Change (PDF). „Der Klimawandel ist das größte und weitestreichende Marktversagen der Weltgeschichte“, folgerte darin der Ökonom Nicholas Stern.

Im Auftrag der britischen Regierung bezifferte der ehemalige Weltbank-Chefökonom die wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung auf knapp 5,5 Billionen Euro pro Jahr bis 2100. Bereits heute wird rund 1% des globalen Bruttoinlandsprodukts (etwa 270 Milliarden Euro) jährlich ausgegeben, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.

Global denken, lokal handelnDen politischen Höhepunkt weltweiter Nachhaltigkeitsbemühungen hatten wir da schon überschritten. Denn der 1992 abgehaltene "Erdgipfel" von Rio ist ob seiner Teilnehmerzahl sowie seiner Beschlüsse legendär. Rund 20.000 Delegierte und Aktivisten aus 178 Staaten lieferten sich in Brasilien über zwei Wochen Wortgefechte und einen Schlagabtausch, der die ökologische Lage der Erde in einem bis dahin nie gehörten Ausmaß klarmachte.

In Rio ging es um nichts weniger als die Frage der ökologischen Zukunft des Planeten, und die der Gerechtigkeit. So zählt denn auch die Klimarahmenkonvention als Vorbote des Kyoto-Protokolls als große Errungenschaft des Gipfels. Alles was seitdem aus der Taufe gehoben wurde, blieb hinter dem Anspruch dieses Dokuments zurück.

Konkrete Handlungsmaßnahmen auf die nationale Ebene herunterzubrechen, erwies sich aber in der Folge als ausgesprochen schwierig. Das globale Handlungsprogramm Agenda 21 setzte große Hoffnungen in die Umsetzung internationaler Beschlüsse auf nationaler und lokaler Ebene. Doch die wurden enttäuscht. Selbst Deutschland, das sich gern als Vorreiter in Sachen Umwelt- und Klimaschutz inszeniert, konnte gerade mal 2.600 von 12.000 Kommunen dazu bewegen, eine lokale Agenda auszuarbeiten.

Mittlerweile muss man sogar um bisher Erreichtes fürchten. Für das Kyoto-Protokoll konnten sich die Staaten noch nicht auf ein Nachfolgeabkommen einigen: China stieg gar nicht erst ein, Kanada sogar wieder aus. Größter Stolperstein ist immer noch, dass ein solches Abkommen auch Staaten wie die USA, China oder Indien umfassen muss, um überhaupt schützend wirken zu können. Gerade die letztgenannten Schwellenländer wollen aber die gleichen Rechte auf Entwicklung wahrnehmen, die die industrialisierten Länder für sich reklamierten.

Was die Zukunft bringtImmer häufiger werden deshalb Kommentare laut, dass internationale Klimaschutzkonferenzen nichts brächten: zu willkürlich und zu stückwerkartig, lautet der Vorwurf von Experten und Klimaschützern. Es fehle die große Linie. Zwar gebe es Initiativen, Kampagnen, Abkommen – aber ohne Systematik und sanktionsfähige Instanz dahinter.

Die Diskussion um die Zukunft der Erde gleicht inzwischen dem Spiel „Schwarzen Peter“: Politiker, Wirtschaftslenker, Bürger – sie alle wollen sehr wohl ihren Beitrag zu einer besseren Gesellschaft leisten, reichen aber die Karte weiter.

Um den Grenzen-des-Wachstums-Autor Meadows noch einmal aufzugreifen: Nicht handeln, ist auch eine Entscheidung, sagte der. "Wenn die Menschheit wartet, bis die Belastungen und Zwänge offen zutage treten, hat sie zu lange gewartet." In einem Update der Studie, sahen Meadows und sein Forscherteam weite Teile ihrer Annahmen bestätigt. Die Welt hat die Kurve noch nicht gekriegt.

Aber noch sollte man die Hoffnung noch nicht aufgeben: Würden zum Beispiel Unternehmen Nachhaltigkeit als Innovationsspritze wahrnehmen, die am Kern des Problems ansetzt und dieses dauerhaft zu lösen versucht, könnte die Krise gar als Chance genutzt werden. Und wenn Manager dann noch das von ihnen geleitete Unternehmen nur als geliehen wahrnehmen würden, das für kommende Generationen zu bewahren ist, dann wäre noch mehr erreicht.

Mit diesem Verständnis, ist es nur ein kleiner Schritt hin zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Handeln, das politische und gesellschaftliche Maßnahmen ergänzt. Der Wald "Unternehmen" würde dann nicht für den eigenen Profit abgeholzt, sondern für die Nachfolger vorbereitet.

In der nächsten Kolumne richten wir den Blick in die Zukunft. Welche Trends und Megatrends werden unser Leben von Morgen prägen? Und welche Rolle spielt dabei die Nachhaltigkeit?

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