Lederproduktion Müssen für Deichmann-Schuhe Urwälder weichen?

Ein Ranking zeigt, welche Firmen wenig tun, um Wälder zu schützen - darunter ist auch der Schuhhändler Deichmann.

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Mit Deklarationen der Vereinten Nationen ist es häufig wie mit den guten Vorsätzen für das neue Jahr. Feierlich gelobt man, endlich mit dem Rauchen aufzuhören, mehr Sport zu machen, auf Fleisch zu verzichten.

Das klappt eine Weile ganz gut, doch irgendwann ist man mit seinem Schweinehund allein und raucht, isst Fleisch und liegt am Feierabend auf dem Sofa statt auf der Yogamatte. Ähnlich verwässern auch die mit viel Pathos verabschiedeten "Jetzt-aber-wirklich"-Papiere, die Regierungen im UN-Rahmen regelmäßig verabschieden.

Abholzungsrate bis 2020 halbierenMit Vorsicht ist deshalb auch die vergangenen Herbst von NGOs, Regierungen und Konzernlenkern unterzeichnete “New York Declaration on Forests” zu betrachten.

Sie wurde als historisch einmaliges Papier zum Schutz der Wälder präsentiert. Darin wird versprochen, die weltweite Abholzungsrate bis 2020 zu halbieren und zehn Jahre später auf null zu senken. Das klingt ersteinmal abstrakt, hat aber ganz konkrete Folgen für Unternehmen wie den deutschen Schuhhändler Deichmann, der in seiner Branche die Nummer 1 in Europa ist. Aber dazu gleich mehr.

Das Dokument ist rechtlich nicht bindend. Seine Einhaltung hängt also davon ab, ob sich die Ziele auch in den kommenden Jahren mit den Interessen der Unterzeichner vereinbaren lassen.

Unternehmen tun nicht genug gegen EntwaldungDaher schlägt wieder einmal die Stunde der Aufpasser und Mahner. Das sind üblicherweise Nichregierungsorganisationen, wie das britische Global Canopy Programme (GCP). Um zu überprüfen, welche Firmen, Staaten und Investoren tatsächlich etwas gegen die Vernichtung unserer grünen Lungen unternehmen, hat das GCP kürzlich eine Rangliste erstellt (wir berichteten).

Dabei kommen die 250 untersuchten Unternehmen, die wegen ihrer Produktpalette den größten Einfluss auf den Bestand tropischer und subtropischer Wälder haben, nicht besonders gut weg.

Nur sechs Unternehmen, darunter die Danone Gruppe (Frankreich, Lebensmittel), Kao Corp. (Japan, Chemie und Kosmetik), Procter & Gamble (USA, Konsumgüter), die Reckitt Benckiser Gruppe (UK, Haushaltswaren), Unilever (UK, Lebensmittel und Konsumgüter) und Nestle S. A. (Schweiz, Lebensmittel) erhalten Bestnoten.

Die hinteren Plätze der “Waldrangliste” belegen überwiegend Unternehmen mit Firmensitz in Asien und oder dem Nahen Osten. Aber nicht nur: Zu den vielen Waldrambos aus China gesellen sich überraschend auch so bekannte Unternehmen wie der US-amerikanische Bekleidungseinzelhändler The Gap und der deutsche Schuhhändler Deichmann.

Woher stammt das Leder für Deichmann-Schuhe?Deichmann hat anders als etwa der französische Modekonzern Kering (vier Punkte) oder der deutsche Sportartikelhersteller Adidas (drei Punkte) nur einen von fünf möglichen Punkten erhalten. Das bürstet die Studienergebnisse gegen den Strich, denn deutsche Firmen schneiden in dem Ranking insgesamt ordentlich bis gut ab. Woran liegt das?

Ein wichtiger Grund: Deichmann hat zum Zeitpunkt der Erhebung keine Informationen darüber veröffentlicht, wie der Konzern verhindern will, dass für die Produktion seiner Lederschuhe Urwälder weichen müssen.

Leder gehört genau wie Palmöl, Soja, Holz, Rindfleisch oder Papier-und Zellstoff zu den wichtigsten “Waldrisikogütern”. Denn die Rinderzucht benötigt riesige Weideflächen, für die häufig Wälder weichen müssen.

“Deichmann hat keine allgemeine Nicht-Entwaldungs-Strategie, wie sie viele andere Unternehmen bereits haben und umsetzen”, erklärt der Wissenschaftler Mario Rautner, der beim CDP das Programm „Drivers of Deforestation“ leitet.

Eine solche Strategie sei aber der "erste Schritt, um nachvollziehen zu können, wo das Leder für die Schuhe herkommt”, sagt Rautner. Ein Konzern wie Deichmann sollte wissen, ob sein Leder etwa aus Brasilien stamme und damit möglicherweise aus Gegenden, die entwaldet wurden. Oder ob er seinen Rohstoff von chinesischen Zulieferern bezieht, die wiederum Leder aus Brasilien importieren.

China gehört wie Indien und Russland zu wichtigsten Importländern für Waldrisikogüter, die laut dem CDP erschreckend wenig für den Waldschutz unternehmen.

Adidas und Ikea haben Standards für LieferantenDeichmann ist ebenso wie Adidas, Puma oder Nike Mitglied der „Leather Working Group“, einem Zusammenschluss von Unternehmen rund um die Leder-Industrie, deren Ziel eine nachhaltigere Ledergewinnung ist.

Das reiche aber nicht, kritisert Rautner. „Deichmann ist eine Firma mit fünf Milliarden Euro Umsatz, sie kann sich eine Wald-Strategie leisten, andere tun das ja auch.”

In der Tat müssen Leder-Zulieferer von Adidas laut Unternehmens-Informationen, einen Kriterienkatalog des Unternehmens erfüllen, um sicherzustellen, dass der Regenwald im Amazonasgebiet nicht unter der Leder-Produktion leidet. Auch der schwedische Möbelgigant IKEA definiert in seinem Nachhaltigkeitsbericht eigene Standards für seine Holzlieferanten.

“Es ist für viele Firmen nicht leicht nachzuvollziehen, wo ihre Rohstoffe herkommen. Das braucht Zeit, das verstehen wir”, sagt Rautner. Das bedeute im Umkehrschritt aber nicht, gar keine Richtlinien zu haben oder sie nicht transparent zu machen.

Deichmann äußert sich zunächst nichtBei Deichmann möchte man sich zu den Ergebnissen des Rankings zunächst nur soweit äußern: “Wir kennen weder das Ranking, noch deren Autoren. Noch haben die Autoren der Untersuchung Kontakt mit uns gehabt. Wir wissen nicht, wie sie zu ihrer Einschätzung gekommen sind“, so ein Konzernsprecher.

Für direkte Gespräche mit den 250 untersuchten Firmen, 50 Ländern oder Regionen, 150 Banken und Investoren sowie 50 weiteren einflussreichen Organisationen, die für das Ranking erhoben wurden, habe es keine Kapazitäten gegeben, erklärt Rautner.

Nach einer weiteren Anfrage zur Herkunft des Leders und ob der Konzern nun eine Waldschutzstrategie habe, heißt es bei Deichmann, die Herkunft der Rohware werde im Rahmen des Leather Working Group Protokolls überwacht und dokumentiert. Weitere Information fänden sich auf der Website der Leather Working Group.

Wo das Leder aber nun wirklich herstammt, darüber erfährt man von Deichmann nichts. Ob das Unternehmen es selbst weiß, bleibt ungewiss. So tappen auch die Kunden im Dunkeln.

Umweltschäden gefährden das GeschäftMittlerweile setzen sich viele Unternehmen für den Waldschutz ein und machen ihr Engagement - anders als Deichmann - auch transparent.

Der Grund für das Engagement der Unternehmen ist einfach: Denn Umweltschäden, die durch den Klimawandel entstehen, wirken sich direkt auf das Geschäft von Unternehmen aus, besonders wenn sie global operieren. Die Abholzung der Wälder gilt als einer der Haupttreiber des Klimwandels.

Daher liegt es im Eigeninteresse der Unternehmen, ihre Lieferketten zu durchleuchten und auf Umweltrisiken abzuklopfen.

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