Intersolar Kleine Lupen machen Solarstrom billiger als Kohleenergie

Eine supereffiziente Solartechnik bündelt Sonnenlicht mit kleinen Brenngläsern. Die Folge: Ein Preissturz.

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Es ist ein bekanntes Kinderspiel: Man nehme eine Lupe und halte sie so ins Sonnenlicht, dass ein heller Lichtpunkt entsteht. Was in den Fokus des Brennglases gerät – ein Blatt oder ein Stück Holz – beginnt rasch zu Kokeln.

Ganz ähnlich funktioniert eine neue Solartechnik, die gerade auf dem Weg zum Massenmarkt ist. Dabei bündeln spezielle Glaslinsen das Sonnenlicht mindestens 500-fach zu einem energiereichen Lichtstrahl. Und der trifft auf Solarzellen, die nur so groß sind wie ein Fingernagel, dafür aber extrem leistungsstark.

Enorme 30 Prozent des Sonnenlichts wandelt die Technik in Strom um – doppelt so viel, wie heutige Solaranlagen auf dem Dach. Dazu verbinden die Hersteller hunderte Linsen und Zellen zu einem Modul von der Fläche einer Vierzimmerwohnung. Und das dreht sich auf einem Ständer wie eine Sonnenblume immer der Sonne nach.

Konzentrierte Fotovoltaik nennen Forscher die Technik, über die Experten auch auf der Solarmesse Intersolar in München diskutierten. Sie wurde maßgeblich in Deutschland entwickelt - und könnte laut dem Marktforschungsinstitut IMS Research im Jahr 2016 bis zu 30 Prozent preiswerteren Strom liefern als alle anderen Fotovoltaiktechniken.

Mehr noch: Solarstrom soll damit schon in naher Zukunft an manche Orten billiger sein als Strom aus Kohlekraftwerken. „Unsere Kraftwerke liefern im Jahr 2014 Strom für weniger als zehn Dollarcent pro Kilowattstunde“, sagt Russ Kanjorski, Vizechef der Geschäftsentwicklung beim US-Solarstartup Semprius. „Mittelfristig erreichen wir Kosten von sieben Dollarcent.“

Das wären also umgerechnet 7,5 Eurocent und 5,3 Eurocent. Kohlestrom aus neu gebauten Meilern kostet verschiedenen Berechnungen zufolge zwischen sechs und zehn Eurocent pro Kilowattstunde.

Einen Haken hat die konzentrierte Solar-Revolution: Sie wird nur in südlichen Länder mit reichlich Sonneneinstrahlung stattfinden. Denn bei Bewölkung sinkt die Leistung der Linsen-Zellen auf nahezu Null. Damit kommen Länder in Nordafrika, im mittleren Osten oder in Südasien  als Standort in Frage, aber auch südliche Regionen Chinas, der USA und Südafrika. Viele dieser Länder haben einen massiven Strombedarf und müssen ohnehin neue Kraftwerke bauen.

Solar-Revolution in Saudi-ArabienVerschiedene Hersteller wollen diesen Markt nun mit der konzentrierten Fotovoltaik erobern. Soitec Solar in Freiburg, eine Tochter des französischen Halbleiter-Herstellers Soitec, hat nach eigenen Angaben schon in 18 Ländern Pilotkraftwerke mit einigen Kilowatt Leistung gebaut. Und im Auftragsbuch stehen Anlagen mit insgesamt mehreren hundert Megawatt Leistung.

Gerade erst gab das Unternehmen einen Auftrag für ein Ein-Megawatt-Kraftwerk in Saudi-Arabien bekannt. Der Wüsten-Staat stellt seinen Strom bisher mit Ölkraftwerken her, will das Öl aber nun sparen und im Ausland gewinnbringender verkaufen. Die neue Stromquelle im Land der Scheichs soll die Solarenergie werden.

Ein wichtiger Vorteil der Konzentrator-Kraftwerke: Sie lassen sich Stück für Stück aufbauen, ein Modul nach dem anderen. So lassen sich die Anlagen bei Bedarf rasch erweitern. „Wir können mehrere Megawatt Leistung pro Monat installieren“, sagt Hansjörg Lerchenmüller, Geschäftsführer bei Soitec Solar.

Zwar erzeugen die neuen Kraftwerke nur Strom, wenn die Sonne scheint. Aber gerade dann, sagt Lerchenmüller, sei der Strombedarf in den meisten Ländern besonders hoch - vor allem für die Kühlung von Gebäuden, aber auch für Industriebetriebe.

Das US-Marktforschungsinstitut SPV rechnet mit einem Marktvolumen von 300 bis 750 Megawatt im Jahr 2016. Das Analysten von IMS Research sind noch optimistischer: Sie rechnen für das Jahr 2016 mit einem Zubau von 1,2 Gigawatt.

Und die Technik steht erst ganz am Anfang. Kanjorski ist überzeugt: „In den nächsten zehn Jahren erreichen wir noch viel höhere Wirkungsgrade." Der wichtigste Hebel dabei sind die Solarzellen – sie sollen noch deutlich leistungsstärker werden. Daran arbeitet unter anderem der Heilbronner Solarzellenhersteller Azur Space. Aus dessen Fertigung stammen die Zellen, die Soitec in seinen Konzentrator-Kraftwerken verarbeitet.

Erst neulich hat Azur Space einen Weltrekord aufgestellt – mit einem Wirkungsgrad von 43,3 Prozent. „Im Jahr 2020 erreichen wir 50 Prozent“, sagt Gerhard Strobl, Leiter der Geschäftsentwicklung bei Azur Space. Beim Einbau im Modul könnten davon mehr als 40 Prozent übrig bleiben. Damit würde der Sonnenstrom noch einmal deutlich billiger. „Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer Technik bald den preiswertesten Solarstrom herstellen“, sagt Strobl.

Billigstrom aus der Wüste für DeutschlandDie Hochleistungszellen, die das ermöglichen sollen, stammen aus der Weltraumforschung: Seit zehn Jahren stattet Azur Space Satelliten mit ihnen aus. Bei bis zu 180 Grad Celsius - mal unter, mal über dem Gefrierpunkt - erzeugen die Zellen etwa in den Satelliten des europäischen Ortungsdienstes Galileo Strom für die Bordelektronik.

Dabei kommt ein neuartiges Material als Ersatz für herkömmliches Silizium ins Spiel: Galliumarsenid. Erst dieser Rohstoff erlaubt die hohen Wirkungsgrade, die in der Raumfahrt entscheidend sind, damit Satelliten auf kleinem Raum viel Strom erzeugen können Obendrein wenden die Heilbronner einen Trick an: Sie stapeln drei Zellen übereinander, die jeweils einen Bereich des Lichtwellenspektrums optimal ausnutzen.

Was im All längst funktioniert, soll auf der Erde nun Solarstrom ohne Subventionen rentabel machen. „Der bisherige Solarboom war nur ein Vorspiel“, glaubt Strobl. „Jetzt geht der Ausbau der Solarenergie erst richtig los.“

Und davon sollen mittelfristig nicht nur sonnenreiche Regionen profitieren. Denn Soitec Solar ist Mitglied in der Desertec Industrial Initiative – jener Industrieallianz, die riesige Solarkraftwerke in Nordafrika bauen will. Per Hochspannungsleistung könnte der saubere Strom nach Europa fließen.

Billig-Solarstrom aus Konzentrator-Kraftwerken wird also in ein paar Jahren vielleicht auch dort ankommen, wo die Technik maßgeblich entwickelt wurde – in Deutschland.

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