Internet-Ballons Googles "Project Loon" geht dieses Jahr in die Luft

Mit Ballons will Alphabets Project Loon allen Menschen Internetzugang verschaffen. Dieses Jahr steigen sie testweise.

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Bereits 2013 bereitete Google Ballons vor, die der Welt Internet von oben bringen sollten. Quelle: REUTERS

Weil das Projekt selbst den Entwicklern bei Alphabet so verrückt erschien, nannten sie es "Loon" (deutsch: Spinner). Doch dieses Jahr ist es tatsächlich so weit: Die ersten Ballons steigen testweise in den Himmel über Sri Lanka und Indonesien, um die Menschen dort mit Internet zu versorgen. Besonders für Indonesien birgt das Projekt großen Nutzen. Durch die Struktur mit den vielen kleinen Inseln kommen viele Menschen auf klassischem Weg nicht ins Netz.

Mit dem Project Loon hat sich Alphabet (ehemals Google) luftige Ziele gesetzt. Ein Netzwerk aus solarbetriebenen Ballons, die in 18 Kilometern Höhe durch die Luft treiben, soll allen Menschen auf der Welt den Internetzugang ermöglichen. Besonders in abgelegenen Gegenden und Ländern, wo der Zugang entweder nicht vorhanden oder sehr teuer ist, will das Forschungszentrum Alphabet X mit den Ballons helfen.

Indonesien und Sri Lanka sollen die Test-Staaten werden, in denen die Ballons erstmals testweise steigen. Später sollen es mehr werden. "Wir hoffen, dass das bis zu vier Millionen Menschen Internetzugang verschafft, die bisher keinen hatten", schreibt Astro Teller, Labor-Chef bei Alphabet X. "Aber man kann nicht einfach einen Funkturm an einen Ballon hängen und ihn in die Luft schicken."

Das sah auch unser Autor bei WiWo Green so, als er 2013 vom Start des Projekts berichtete. Viele Herausforderungen und vor allem auch politische Hindernisse sah er und war deshalb eher skeptisch. Seitdem hat sich bei dem Projekt einiges getan.

Die größten Probleme als erstes angegangen

Das Alphabet-Team hat sich allerdings erstmal mit den technischen Herausforderungen beschäftigt. Die Forscher wussten schon zu Beginn der Entwicklung, wie unwahrscheinlich dieses Projekt ist. "Aus diesem Grund hat bei Loon seit 2012 immer die Arbeit Priorität, die am schwersten erscheint und bei der es am wahrscheinlichsten ist, dass sie das Projekt stoppt, weil wir keine Lösung finden", sagt Teller. Das Signal direkt an Handheld-Geräte zu schicken, genügend Bandbreite bereitstellen, um das Internet tatsächlich auch nutzbar zu machen, die Ballons miteinander kommunizieren lassen: alles Probleme, die gelöst werden mussten. Und gelöst wurden.

Jetzt aber funktioniert das System: Smartphones und andere LTE-Geräte kommunizieren mit den Ballons, die den Datenverkehr dann an Stationen des lokalen Telekommunikationsnetzes weiterleiten. Mit bis zu 15 Megabits pro Sekunde können die Signale dann übertragen werden. Das ist schnell genug, um ein Video zu streamen. Außerdem sammeln Instrumente an Bord der Ballons noch Daten zum Wetter (ob diese auch den Staaten, wo sie gesammelt wurden, zugänglich gemacht werden, ist unklar).

Zwei Solarpanels, die neben dem Technikkasten unter dem Ballon hängen, halten ihn in der Luft. Das Signal der Ballons hat eine Reichweite von rund 40 Kilometern. Ziel von Alphabet ist es, letztendlich so viele Ballons zu haben, dass wann immer einer vom Wind weggetragen wird, ein anderer herantreibt, der das Signal übernimmt.

Ein Ballon im Ballon

Den Ballon zu entwickeln war fast noch komplizierter als die Technik im Inneren. In der Höhe, in der die Ballons unterwegs sind, ist der Luftdruck hundert Mal niedriger als auf Meereslevel. Temperaturschwankungen und UV-Einstrahlung sind dadurch stärker. Und steuern muss man den Ballon auch noch irgendwie.

Nach unterschiedlichen Designs, darunter eine Kugel, eine längliche Kissenform und eine Wurst in Größe eines Blauwals, haben sich die Entwickler für ein Zwei-Ballon-System entschieden. Ein äußerer Ballon ist mit Luft gefüllt. In diesem steckt ein zweiter, mit Helium gefüllter Ballon. Indem man Luft von dem äußeren Ballon ablässt, kann man das ganze Konstrukt leichter machen - und umgekehrt.

So kann man ihn verschiedene Höhen steigen lassen, wo Winde in unterschiedliche Richtungen wehen, und so mit dem Ballon navigieren. Aus einer Entfernung von 20.000 Kilometern schafft es das Team mittlerweile, den Ballon auf bis 500 Meter nah an einen Zielpunkt heranzulenken. Letztes Jahr hat das Team es außerdem geschafft, einen Ballon für 187 Tage in der Luft zu halten. Ein Durchbruch, ohne den ein Start in diesem Jahr nicht möglich gewesen wäre.

Allerdings mussten dafür vorher erst noch einige politische Fragen geklärt werden. Dabei dreht es hauptsächlich um zwei Fragen: Auf welcher Frequenz operieren die Ballons und was ist mit den lokalen Telekommunikationsunternehmen? Anstatt weltweit auf derselben Frequenz zu operieren, will Alphabet mit jedem Land einzeln verhandeln, in welchem Spektrum Loon arbeitet. Dafür will es mit den lokalen Telekommunikationsunternehmen kooperieren. In Sri Lanka beispielsweise erhält die Regierung des Landes 25 Prozent und die lokalen Telekommunikationsunternehmen zehn Prozent des Joint Ventures dafür, dass Loon eine bestimmte Frequenz nutzen darf.

Indiens Regierung hat noch Bedenken

Nicht immer laufen die Verhandlungen zwischen Land und Unternehmen so reibungslos. Indien ist beispielsweise noch skeptisch. Laut dem indischen Department of Telecommunications möchte Alphabet ein Frequenzband zwischen 700 und 900 MHz nutzen. "Das vorgeschlagene Frequenzband, das für Googles Loon Projekt genutzt werden soll, wird schon von Mobilfunkoperationen in Indien belegt", schrieb Ravi Shankar Prasad, Kommunikations- und IT-Minister, vergangenes Jahr dem indischen Parlament. "Das wird zu Störungen bei Mobilfunkübertragungen führen."

Außerdem hat Indien noch einige Sicherheitsbedenken. Das Innenministerium befürchtet, dass die Ballons für Überwachungszwecke missbraucht werden könnten; das Verteidigungsministerium hat Angst, dass die Ballons über Militärzonen den Armeeflugzeugen und-helikoptern in die Quere kommen könnten. Und auch das Ministerium für Zivile Luftfahrt sieht die Gefahr, dass die Ballons in Konflikt mit Flugzeugen geraten. Zwar fliegen die Ballons in etwa doppelter Höhe, als Flugzeuge unterwegs sind, aber es gibt Bedenken, was passiert, falls sie einen technischen Fehler haben und unerwartet sinken.

Dennoch hat Indien vorläufig zugestimmt, Loon im Land fliegen zu lassen. Allerdings nur wenn die oben genannten Punkte geklärt werden. Einiges an Arbeit steht Alphabet also noch bevor.

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