Innovationen Dieses Pulver könnte die Ernährungskrise lösen

Die globalen Phosphat-Vorräte schrumpfen, die Landwirtschaft steht vor einer Düngerkrise. Doch es gibt eine Lösung.

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Sie machen Äcker fruchtbar und Wurst haltbar: Phosphate sind aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelherstellung kaum noch wegzudenken. Als einer der wichtigsten Nährstoffe für Pflanzen sind sie Hauptbestandteil von Düngemitteln.

Aber es gibt ein Problem: Die weltweiten Phosphat-Vorräte gehen zu neige, womöglich sogar schneller als die Erdöl-Reserven. Schon heute geben die Lagerstätten immer weniger her, so dass Phosphatdünger immer teurer wird. Vor zehn Jahren kostete eine Tonne Phosphat knapp 40 US-Dollar, heute liegt der Preis beim Vierfachen, zwischenzeitlich lag er sogar bei mehr als dem Zehnfachen.

Zu allem Überfluss wird der Phosphatdünger auch noch aus den Äckern ausgewaschen und landet direkt oder auf dem Umweg über Kläranlagen in Flüssen, Seen und im Meer. Wegen Überdüngung wachsen Wasserpflanzen dann so schnell, dass sie ihrer Umgebung den gesamten Sauerstoff entziehen. Fische sterben und auf Dauer „kippen“ Binnengewässer. Kein Leben regt sich dann mehr in der stinkenden Brühe. Auf hoher See bilden sich gigantische, manchmal giftige Algenteppiche.

Überdüngung verhindernDieses Horrorszenario hat die EU-Kommission jetzt aufgeschreckt. Die Behörde fordert alle direkt oder indirekt an der Phosphatnutzung Beteiligten auf, bis Anfang Dezember Vorschläge für eine umweltverträgliche Phosphatnutzung zu machen. Dazu gehören Verfahren, die das Überdüngen von Feldern verhindern.

Zudem sollen für Menschen und Tiere Berechnungstechniken entwickelt werden, die eine übermäßige Phosphataufnahme mit Nahrungsmitteln beziehungsweise Futter verhindern. Menschen beispielsweise nehmen mit dem Verzehr von Wurstwaren Phosphate auf, die darin unter anderem für Schnittfestigkeit sorgen. Und Phosphat-Überschüsse im Körper werden ausgeschieden und landen in Kläranlagen beziehungsweise mit Gülle und Mist auf den Feldern.

Bis heute aber sind die Kläranlagen nicht in der Lage, Phosphate aus dem Abwasser zu filtern. Der Rohstoff landet im Klärschlamm, der nicht mehr auf Felder gestreut und damit in den Biokreislauf zurückgebracht werden darf, weil er Krankheitskeime übertragen könnte. Stattdessen wird Klärschlamm heute verbrannt - und mit ihm die wertvollen Phosphate dauerhaft vernichtet.

Weißes Gold aus der KläranlageWeltweit gibt es darum Bemühungen, den Düngemittelrohstoff aus dem Abwasser zurückzugewinnen. Angesichts der gewaltigen Preissteigerungen könnten Abwasserreinigungsanlagen zu Goldgruben werden. Auch Forscher am Karlsruhe Institut für Technologie haben in den vergangenen Jahren ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Phosphate aus Abwässern zurückgewinnen lassen.

Das Team um Rainer Schumann vom Kompetenzzentrum für Materialfeuchte pressen das Restwasser aus dem Klärschlamm heraus. Dann kippen sie ein kalkartiges weißes Pulver in die Masse, das fachmännisch Calcium-Silicat-Hydrat genannt wird. Daran beißen sich die Phosphate praktisch fest. Das Pulver, an dem das Phosphat klebt (siehe Foto), sei „ohne weitere Aufbereitung als Düngemittel einsetzbar”, versichert Schumann.

Einen Praxistest bestand das Verfahren an der Kläranlage Neuburg an der Donau, in die jährlich 30 bis 40 Tonnen Phosphate fließen. Gebaut wurde die Pilotanlage, die nach fast zwei Betriebsjahren im Frühjahr stillgelegt wurde, von der mittelständischen Alltech Dosieranlagen GmbH im baden-württembergischen Weingarten. Derzeit laufen die Planungen für eine großtechnische Anlage am gleichen Standort.

Nach den Erfahrungen mit der Pilotablage könnten dort jährlich rund zehn Tonnen Phosphate zurückgewonnen werden. Den restlichen Klärschlamm verbrennt der Heidelberger Baustoffkonzern HeidelbergZement, das an dem Projekt beteiligt ist, bei der Zementherstellung. Das funktioniert genauso gut mit Schlamm, der teilweise von Phosphaten befreit ist. Nur mit dem Unterschied, dass zuvor ein Wertstoff zurückgewonnen wird.

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