Induktives Laden Wenn die Straße das Elektroauto mit Strom versorgt

Induktive Systeme könnten die Batterie ganz ohne Ladekabel mit Strom versorgen.

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Parken und Laden – so einfach könnte das Elektroauto künftig mit Strom versorgt werden. Und das ganz ohne Ladesäule. Möglich wird dies durch das sogenannte induktive Laden.

Dabei wird die Energie durch die Luft übertragen, genauer gesagt über ein zeitveränderliches Magnetfeld. Herzstück der Technologie sind zwei Spulen. Eine ist in der Straße, auf dem Parkplatz oder in der Garage integriert, eine zweite am Unterboden des Autos. Die Spulen bilden – in Kombination mit entsprechenden Kondensatoren – eine Art „Antennensystem zur Energieübertragung“. Je näher die beiden Spulen beieinander liegen, desto effizienter wird die Energie übertragen.

Effizienter und günstigerNeu ist das physikalische Prinzip nicht. Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist es bekannt, bisher gab es aber nur wenige Anwendungen. Mit der Elektromobilität könnte das Ladesystem nun an Fahrt gewinnen. Das Interesse der Autohersteller ist auch vorhanden, die meisten haben das System in der Pipeline.

Dass die Stromer trotzdem noch an die Ladesäule müssen, liegt vor allem daran, dass die internationale Normung noch nicht soweit ist, erklärt Diplomingenieur Marco Jung, stellvertretender Abteilungsleiter für Stromrichtertechnik am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel. Damit das System von allen Kunden genutzt werden kann, muss es jedoch kompatibel sein.

Die Wissenschaftler rund um Jung haben es nun geschafft, den Abstand von normalerweise etwa 13 auf 20 Zentimeter zu erweitern. Zudem ist es ihnen gelungen, die Spulen und das Gesamtsystem um 50 Prozent günstiger herzustellen – ein wesentlicher Aspekt, um das System für die Autohersteller interessant zu machen.

Überschüssige Energie für das ElektroautoBei den IWES-Forschern geht es aber nicht nur um das Nachfüllen der Batterie. Es geht auch um die Rückspeisung des Stroms ins Netz, das dadurch stabilisiert werden soll. Das Problem ist bekannt: Strahlt die Sonne vom Himmel oder bläst der Wind kräftig übers Land, liefern Solarzellen und Windräder oftmals mehr Energie, als benötigt wird. Wird zu viel Strom in das Netz eingespeist, kann die Spannung ansteigen und elektrische Geräte eventuell zerstören. Netzbetreiber drosseln daher bei guter Wetterlage die Leistung, die Solar- und Windanlagen in die Netze einspeisen.

Würden die Batterien der Elektroautos als Zwischenspeicher genutzt, könnten die Anbieter den überschüssigen Strom bei Flaute oder wolkenverhangenem Himmel wieder ins Netz einspeisen und so ihren Anteil der erneuerbaren Energien am Strom-Mix steigern.

Das macht allerdings erst Sinn, wenn tatsächlich eines Tages mehrere Millionen Elektroautos auf den Straßen fahren. Bis es soweit ist, setzt Jung vorerst auf das tägliche Laden zu Hause in der Garage, das durch das induktive Laden einfacher wird. Was passiert, wenn sich eine Katze während des Ladens unterm Auto versteckt, ist den Forschern bisher nicht bekannt.

Kaum ein Markt vorhandenDas kostengünstigere Ladesystem erreicht zwar hohe Wirkungsgrade, ist mit einer Leistung von 400 Watt bis 3,6 Kilowatt im Vergleich zu Ladesäulen aber noch nicht so richtig flott. Es hat aber einen anderen Vorteil: „Selbst bei einem Luftspalt von 20 Zentimetern erreichen wir einen Wirkungsgrad von 93 bis 95 Prozent – und das über den kompletten Leistungsbereich von 400 Watt bis 3,6 Kilowatt“, erklärt René Marklein, Projektleiter am IWES. „Vergleichbare Systeme erreichen solch hohe Wirkungsgrade nur bei einem kleineren Abstand, was den Einsatz bei Fahrzeugen mit größerer Bodenfreiheit einschränkt.“

Dass der Markt dafür noch kaum vorhanden ist, spielt für Jung und sein Team keine Rolle. Sie denken bei den Entwicklungen an die Zukunft. Und die liegt aus Sicht von Jung definitiv beim induktiven Laden.

Ganz ohne Ladesäulen wird es aber auch in Zukunft nicht gehen. Die induktiven Systeme sollen nur ein Teil der Lösung darstellen und eine Ergänzung zu den bisher üblichen Ladesäulen und dem damit notwendigen Kabel sein. Nur so ist sichergestellt, dass der Fahrer eines Stromers immer und überall laden kann.

Ganze Fahrbahnen als StromlieferantenDie Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) gehen noch einen Schritt weiter. Statt ewig zu warten, bis die Batterie endlich mal geladen ist – was selbst beim Supercharger von Tesla noch eine halbe Stunde dauert -, wollen sie die Fahrtzeit nutzen.

Erste Ansätze sind erfolgreich: Auf einer 25 Meter langen Versuchsstrecke, bei der die Spulen in die Fahrbahn eingearbeitet wurden, konnte ein zum Elektrofahrzeug umgebauter Sportwagen mit 35 Kilometer pro Stunde fahren und gleichzeitig seine Batterie aufladen.

In Berlin und Braunschweig fahren bereits probeweise E-Busse durch die Stadt, die zwar nicht während der Fahrt, aber an den Haltestellen induktiv laden. Die Vision der IFAM-Forscher geht weit darüber hinaus. Sie denken bereits daran, dass in Zukunft E-Autos während der Fahrt auf Autobahnen den Strom.

Dafür müssten jedoch über viele Kilometer Spulen in die Fahrbahn eingebaut werden. Christian Rüther, der am IFAM für die strategische Projektentwicklung zuständig ist, glaubt, dass sich das realisieren lässt: „Natürlich wird man in einem ersten Schritt nicht aktuell bestehende Autobahnen mit einem Spulensystem nachrüsten. Aber für Neubauabschnitte oder Streckenteile, die ohnehin saniert werden müssen, wäre dies denkbar.“

Vorerst liegt der Fokus der IFAM- Forscher nicht auf dem Auto, sondern auf der am Institut entwickelten Autotram– eine Art Straßenbahn auf Gummireifen, die sich ähnlich wie ein Stadtbus einsetzen lässt. Die Autotram verfügt bislang über verschiedene Antriebstechnologien wie Batterien, Superkondensatoren und Brennstoffzelle und soll künftig auch während der Fahrt zusätzlich Strom über das dynamische induktive Laden aufnehmen.

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