Honig aus dem Zapfhahn Zwei Australier wollen Bienenhaltung revolutionieren

Die Andersons haben vier Millionen Dollar für eine bienenfreundliche Imkermethode gesammelt. Ist der Hype berechtigt?

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Das notorische Summen fleißiger Bienchen, die sonnengelben Waben, der süße und klebrige Honig – auf den ersten Blick scheint die Berufsimkerei ein Traumjob. Doch dahinter steckt oft, wie bei allen Lebensmitteln, die als Massenware nachgefragt werden, eine knallharte Industrie. Besonders eindrücklich vermittelt das der preisgekrönte Dokumentarfilm „More than Honey“ des Schweizer Regisseurs Markus Imhoof.

So werden in den USA zum Beispiel ganze Lastwagen mit hunderten von Bienenstöcken Jahr für Jahr kilometerweit durch das Land gefahren. Von den kalifornischen Mandelplantagen bis zu den Obstplantagen in Idaho und North Dakota.

Massentierhaltung im BienenstockDie für die Bestäubung von gut einem Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel verantwortlichen Insekten werden in Masse gehalten - gleich der Massentierhaltung von Schweinen oder Rindern.

Die industrielle Bienenhaltung ist arbeits- und ressourcenintensiv. Der Stress und die Strapazen, die ein Bienenvolk über sich ergehen lassen muss, leisten neben Pestiziden und anderen Umwelteinflüssen ihren signifikanten Beitrag zum Colony Collapse Disorder Phänomen, vulgo Bienensterben.

Auch in Deutschland hat der Rückgang der Bienenpopulationen ein dramatisches Ausmaß angenommen. Ein Viertel aller Kolonien ist in den vergangenen Jahren verloren gegangen, einige Imker hatten Verluste von bis zu 80 Prozent zu vermelden.

Der Ausspruch „Stirbt die Biene – stirbt der Mensch“ hat es in zahlreichen Varianten und unter Angabe verschiedenster Urheber (meist Albert Einstein) in die öffentliche Debatte geschafft. Zwar ist er in der Sache falsch und schon bis zur Panikmache ausgereizt – aber trotzdem ist die Warnung vor dem Bienensterben wichtig und richtig.

Vater und Sohn revolutionieren BienenhaltungDie Honigbiene und ihre artverwandten Wildbienen liefern uns eine Ökosystemdienstleistung im Wert von mindestens 150 Milliarden Euro pro Jahr.

Es gibt also neben dem Naturschutz und dem Erhalt der Artenvielfalt auch solide wirtschaftliche Gründe, die Bienenhaltung attraktiv und möglichst schonend zu gestalten. Ein Anliegen, dass auch den Australiern Stuart und Cedar Anderson am Herzen liegt.

Stuart und sein Sohn Cedar haben gemeinsam eine neue Imkermethode entwickelt, die laut den beiden Innovatoren das Potenzial hat, das gesamte Imkerwesen zu revolutionieren. Sie nennen die Methode "Flow Hive" und haben für die Umsetzung mit einer Crowdfunding-Kampagne bisher mehr als vier Millionen US-Dollar eingesammelt (aktueller Stand links). Die Entwicklung der neuen Technik und die Tests mit Imkern haben laut Aussage der Andersons Jahre gedauert.

Die Andersons hatten bei ihrer Kampagne um insgesamt 75.000 US Dollar gebeten. Doch schon am ersten Tag erhielten sie mehr als zwei Millionen Dollar. Die Reaktionen anderer Imker und Honigliebhaber sind überwältigend. „Das ist eine einmalige Gelegenheit die Haltung der Honigbiene zu revolutionieren“, schreibt ein Unterstützer und wohlmöglich hat er damit Recht. „Sie haben den heiligen Gral der Imkerei entdeckt“, schreibt ein weiterer Unterstützer der Kampagne.

Der heilige Gral der ImkereiDenn der Flow Hive, übersetzt bedeutet das soviel wie fließender Bienenstock, ist ein nicht-invasives Verfahren den Honig zu gewinnen. Es kommt ohne das regelmäßge Öffnen des Bienenstocks aus und umgeht damit das zentrale Problem der Honiggewinnung: Den fortwährenden Eingriff in den Lebensraum der Honigbiene.

Während üblicherweise der Bienenstock zur Entnahme des Honigs geöffnet werden muss wird der Honig beim Flow Hive abgezapft. Dem Volk bleibt dabei weiter genug Honig für den eigenen Bedarf und eine regelmäßige Intervention bleibt aus.

Zwar ist es weiterhin Aufgabe des Imkers, die Brutpflege zu betreiben und die Gesundheit des Bienenvolkes zu gewährleisten – samt Öffnung des Bienenstocks –, aber der wahrscheinlich intensivste Eingriff entfällt vollständig.

Die schonende Methode zur Honigernte hat weitere Vorteile. Das Verfahren ist so konzipiert, dass der Honig nicht zwangsläufig weiterverarbeitet werden muss. Die Wände des Stocks sind darüber hinaus zum Teil durchsichtig, so dass eine direkte Beobachtung des Volkes möglich ist (unter diesem Link gibt es weitere technische Angaben zu der Entwicklung und hier eine ausführliche Kritik).

Außerdem ist es leichter, verschiedene saisonale Honigsorten zu ernten - ganz abgesehen von deutlich weniger Stichgefahr bei der Ernte.

Berufsimker sind noch skeptischStatt Schutzkleidung, Rauch, dem Abstreifen der Bienen von der Wabe (was häufig mit Verlusten einhergeht), dem Transport der Wabe und der Verarbeitung von Honig und Wachs muss der Imker mit dem Flow Hive nur einen Schalter umlegen – und schon fließt der fertige Honig ins Glas.

Es ist eine Methode, die sowohl für Hobby- wie Berufsimker eine immense Arbeitserleichterung und für die Bienen eine deutlich schonendere Haltung bedeuten könnte.

Doch deutsche Imker zeigen sich eher skeptisch. Sowohl der Deutsche Imkerbund wie auch der Berufsimkerverband wollen auf Nachfrage keine konkrete Einschätzung zum Flow Hive geben. Die technischen Details und fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse würden ein Urteil zum jetzigen Zeitpunkt nicht zulassen, teilen sie mit.

Über natürliche Faktoren wie den Wassergehalt und die Temperatur des Honigs sei bisher nichts zu erfahren. Von Euphorie und Revolution ist hier also nichts zu spüren.

Stuart und Cedar Anderson sind jedenfalls überzeugt, dass ihr System funktioniert. Beinahe 10.000 Unterstützer, mehr als vier Millionen Dollar und noch 35 Tage Zeit, um weiteres Geld einzusammeln – für das Vater-Sohn-Unternehmen sieht es jedenfalls vielversprechend aus.

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