Hightech-Salat Wächst in Japan das Gemüse der Zukunft?

Japans Elektroindustrie entdeckt Lebensmittel als Geschäftsfeld. Davon könnte auch die Landwirtschaft profitieren.

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Bis vor kurzem wurden in dem Halbleiterwerk im japanischen Aizu-Wakamatsu noch Platinen bestückt und Elektronik gelötet. Heute ist aus dem Hightech-Betrieb des Fujitsu-Konzerns ein Bauernhof geworden. 2.000 Quadratmeter für Salatanbau – grün, aber nicht weniger Hightech als früher.

Die Landwirte hier tragen keine karierten Hemden oder Blaumann, sondern weiße Laborkittel, Mundschutz und Haarnetz. Sie pflanzen den Salat in Reinräumen, völlig frei von Bakterien und Staub und ganz ohne Sonnenlicht.

Ideale Laborbedingungen also, um an den Eigenschaften des Salats zu feilen. Die Fujitsu-Entwickler reduzierten per Züchtung beispielsweise den Kaliumanteil des Salats. So ist das Gemüse auch für nierenkranke Patienten geeignet. Bei anderen Salatköpfen senkten sie den Nitratgehalt, um den Geschmack weniger bitter zu machen. Ideal für Kinder.

Auch die Haltbarkeit haben die Ingenieure nach eigenen Angaben erhöht. Der Salat aus dem Reinraum soll bis zu zwei Wochen lang frisch bleiben - jedenfalls im Kühlschrank. Trotzdem ist sein Anbau durchaus biologisch. In der sterilen Umgebung sind keine Pflanzenschutzmittel nötig.

Allerdings ist der Anbau noch deutlich aufwendiger und teurer als auf dem Feld. Im Supermarkt kostet der Hightech-Blattsalat deshalb etwa einen Euro mehr als herkömmliches Grünzeug.

Inzwischen unterstützt die japanische Regierung das Projekt des Elektroherstellers als Teil eines Programms für die Fukushima-Region. Seit der Reaktor-Katastrophe ist das Gebiet für normale Landwirtschaft nicht mehr nutzbar. Die Erde ist stark zu belastet. Der Modellversuch mit dem steril-wachsenden Salat war ein so großer Erfolg, dass der Elektronikkonzern über eine Ausweitung auf andere Gemüse- und Obstsorten nachdenkt. Bis 2016 will Fujitsu immerhin drei Millionen Euro mit der Landwirtschaft umsetzen.

Hightechanlagen für mehr ErtragMit seinen landwirtschaftlichen Ambitionen ist Fujitsu in Japan längst nicht allein. Inzwischen gibt es in dem asiatischen Land fast 400 Hightech-Fabriken für Gemüse. Zahlreiche Konkurrenten aus der Elektrobranche sind bereits in die Landwirtschaft eingestiegen, wie zum Beispiel Toshiba.

In einer alten Diskettenfabrik wird ebenfalls Blattsalat angebaut. Vor der landwirtschaftlichen Nutzung stand die Fabrik nahe Tokio fast 20 Jahre lang still. Heute wird dort mit modernster Technik Salat gezüchtet. Die Anlage ist dabei vor allem ein Testlauf für eine spätere Expansion. Langfristig will der Konzern seine Aktivitäten auf ganz Asien und den Mittleren Osten ausweiten. Im Fokus stehen dabei Gebiete, die unter starken Klimaschwankungen und schlechter Wasserqualität leiden.

In eine ähnliche Richtung gehen die Bemühungen von Panasonic. Das japanische Unternehmen möchte mit vollautomatischen Gewächshäusern den Agrarsektor erobern. Die Idee: Bewässerung, Düngung und die richtige Temperatur werden über Sensoren automatisch gesteuert. Der Landwirt kann alle Aktivitäten per Tablet oder PC überwachen.

Auch Konkurrent Sharp, bisher eher für TV-Geräte oder Solarzellen bekannt, setzt auf Landwirtschaft als neues Standbein - genauer gesagt auf Erdbeeren. Der Hintergrund: Die japanischen Sorten sind besonders süß, gelten in Dubai deshalb als Delikatesse. Allerdings sind die asiatischen Erdbeeren weitaus weniger robust als europäische Sorten. Der Export ist entsprechend aufwendig. Eine passende Lösung scheint der Elektrohersteller gefunden zu haben.

Neue Impulse für die japanische LandwirtschaftIn Dubai hat Sharp eine Hightech-Fabrik für die leckeren Erdbeeren gebaut. Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden dabei an japanische Verhältnisse angepasst. Das kostet zwar viel Energie und Geld, ist aber auch lukrativ. Bis 3.000 Erdbeeren sollen unter Hightech-Bedingungen gezüchtet werden – pro Monat, versteht sich. Die Produktion lässt sich dabei komplett aus Japan fernsteuern.

Wenn die Erdbeeren ein Erfolg werden, möchte Sharp weitere Früchte in Dubai anbauen. Erfolge hat der angeschlagene Großkonzern dringend nötig. Auf dem Fernseh- und Solarmarkt hat die Konkurrenz Sharp längst den Rang abgelaufen.

Die landwirtschaftlichen Ambitionen der Elektrondustrie stoßen in Japan durchaus auf Gegenliebe. Inzwischen hat sogar die Regierung umfangreiche Förderungen für die Projekte auch außerhalb des Einzugsgebietes von Fukushima zugesagt. Hauptgrund dafür: Die Landwirtschaft in Japan gilt als kaum wettbewerbsfähig, gar rückständig. Es dominieren kleine Familienbetriebe mit wenig Anbaufläche und veralteter Technik. Außerdem liegt der Altersdurchschnitt der 1,74 Millionen Haupterwerbsbauern schon bei über 66 Jahren. Der Salat aus dem Diskettenwerk kommt also zur rechten Zeit.

Hier noch ein Video zum Fujitsu-Projektes (auf japanisch):



 

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