Gesundheit Kohlestrom verursacht EU-weit 18.000 Todesfälle

Durch Kohle-Schadstoffe sterben in der EU tausende Menschen, die Schäden betragen rund 40 Milliarden Euro.

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Vor einigen Wochen war es der deutsche Ableger der Umweltvorkämpfer von Greenpeace, der mit einer alarmierenden Studie vor den gesundheitlichen Folgen der Nutzung der Kohleenergie warnte. Die Studie - mit dem reißerischen Titel "Tod aus dem Schlot" - sollte nachweisen, dass pro Jahr in Deutschland rund 3100 Menschen an den Feinstaub-Emissionen der 67 Kohlekraftwerke sterben. Die Zahl hatte Greenpeace anhand eines Modells der Universität Stuttgart berechnet.

Düster warnte der Bericht zudem: "Die 15 Kohle-Neubauprojekte würden – inklusive der 2012 ans Netz gegangenen Blöcke in Neurath und Boxberg – zum Verlust von weiteren 1.100 Menschenleben sowie ungefähr 12.000 verlorenen Lebensjahren führen."

Nun könnte man meinen: Kein Wunder, dass eine Greenpeace-Studie zu so einem Ergebnis kommt.

Jetzt aber legt eine weitere Studie (hier als PDF) nach und berechnet die Kosten und Gesundheitsschäden, die Kohleenergie verursacht. Erstellt hat sie die NGO Health and Environment Alliance, ein europäischer Zusammenschluss von rund 60 Organisationen, die sich im Bereich Atemwegsgesundheit engagieren. Grüner Lobbyismus ist hier also eher nicht zu vermuten (obwohl auch Greenpeace zu den Mitgliedern gehört).

Das Ergebnis der Studie:

"EU-weit sind jährlich über 18.200 vorzeitige Todesfälle und über 8.500 neue Fälle von chronischer Bronchitis auf die Verfeuerung von Kohle zurückzuführen (dadurch gehen) mehr als 4 Millionen Arbeitstage verloren. Die wirtschaftlichen Kosten der gesundheitlichen Schäden werden für Europa auf bis zu 42,8 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt."

Allein die Kohlekraftwerke in Polen, Rumänien und Deutschland seien gemeinsam für mehr als die Hälfte dieser Gesundheitskosten verantwortlich, heißt es in der Studie, weil sich ihre Emissionen (Feinstaub, Schwefeldioxid und Stickstoffmonoxid) in ganz Europa verbreiteten. Überraschend ist wiederum auch, dass Länder wie Tschechien und Serbien immer noch beinahe ihren gesamten Strom durch der Verfeuerung von Kohle gewinnen.

Wie teuer Kohlestrom wirklich istAllein für Deutschland rechnet die Studie mit 2700 Toten pro Jahr und Kosten zwischen 2,3 und 6,4 Milliarden Euro. Die Schäden gehen vor allem auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurück. Hinzu kämen Atemwegserkrankungen wie chronische Bronchitis und Lungenkrebs.

Würde man diese Schäden in den Strompreis einberechnen, wäre die Kilowattstunde Kohlestrom in Deutschland um 2,6 Cent teurer und damit nicht mehr so ein Schnäppchen, für das sie die Kohle-Befürworter immer halten.

Eigentlich überraschen die Ergebnisse nicht sonderlich. Ist doch schon seit langem bekannt, dass die Luftverschmutzung in China jährlich mehr als eine Millionen Tote fordert. Bisher ging man allerdings davon aus, dass europäische Kohlekraftwerke moderner und sauberer sind. Das sind sie wohl auch - nur eben nicht so sauber, dass man an den Schloten seine Forellen räuchern sollte.

Bleibt die Frage, wie valide die Ergebnisse sind? Die Greenpeace-Studie ging von einem statistischen Modell aus. Sie nahm den Wert an schädlichen Partikeln für jedes Kohlekraftwerk und berechnete auf Grund von wissenschaftlichen Daten über die Gesundheitsbelastung dieser Partikel die möglichen Todesfälle. Eine Todesursache Kohlekraftwerk ließe sich in der Realität aber kaum nachweisen, weil viele andere Gesundheitsfaktoren (zum Beispiel Tabakkonsum) bei Herz-Kreislauferkrankungen eine Rolle spielen.

Auch die Untersuchung der Health and Environment Alliance arbeitet wie die Greenpeace-Studie und gleicht die wissenschaftlich nachgewiesenen Gesundheitsschäden durch verschiedene Stoffe mit den tatsächlichen Emissionen der einzelnen Kraftwerke ab. Die Kraftwerksdaten stammen wiederum aus der Datenbank zu Großfeuerungsanlagen der Europäischen Umweltagentur aus dem Jahr 2009.

Ist es nun also ein Problem, dass beide Studien die Todesursache Kohle nicht mit realen Todesfällen abgleichen können? Die Antwort lautet: Keineswegs. Denn eigentlich alle Untersuchungen zu Gesundheitsschäden (auch bei radioaktiver Strahlung) stützen sich auf Statistiken und rechnen mit Wahrscheinlichkeiten. Weniger besorgniserregend und alarmierend macht die Methode die Auswirkungen der Kohlestromerzeugung also nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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