Geothermie Pionierprojekt zapft Vulkan zur Energieversorgung an

In Island gelang es Forschern erstmals, mit einer Bohrung in vulkanischem Magma erfolgreich Energie zu erzeugen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die unheimliche Energie von Feuer war bereits den Römern bekannt, als sie ihren Schmiedegott Vulcanus nannten und ihn in Zusammenhang mit vulkanischer Aktivität verehrten. Aber für sie war unvorstellbar, dass die Menschheit vielleicht eines Tages tatsächlich die glühende Kraft der Vulkane zur Energiegewinnung nutzen könnte.

Doch wie sich jetzt herausstellt, sind Wissenschaftler diesem Ziel einen bedeutenden Schritt nähergekommen, wie das Magazin Science berichtet. Allerdings ist der Erfolg nicht ganz neu: Im Jahr 2008 versuchte ein Kosortium aus Forschern und Unternehmen eine Magmakammer eines Vulkans in Island zur Energiegewinnung anzubohren. Das Projekt wurde aber 2012 gestoppt und galt als gescheitert. Eine Auswertung der damaligen Messergebnisse, die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Geothermics erscheint, zeigt jetzt aber, dass das Projekt durchaus erfolgreich war.

Demnach erzielte das Projekt, das den Namen Iceland Deep Drilling Project (IDDP) trägt, eine elektrische Leistung von 36 Megawatt. Ein Vielfaches von dem, was man in herkömmlichen geothermischen Anlagen erzeugt. Die Technik, die in Island zum Einsatz kam, nennt sich Magma-EGS (Enhanced Geothermal System). Dabei wird Energie direkt aus heißem Magma gewonnen, indem Wasser in den Boden gepresst wird. Dieses heizt sich auf, verdampft und treibt eine Turbine an.

Säurehaltige Dämpfe machten SchwierigkeitenKonkret gelang es in Island bei der Bohrung flüssiges Wasser in zwei Kilometer Tiefe in unmittelbare Nähe von 900 Grad heißem Gestein zu pumpen. Später konnte der 450 Grad heiße Hochdruckdampf während mehrerer Monaten zur Energiegewinnung genutzt werden. Die Forscher mussten dabei aber gegen säurehaltige Dämpfe kämpfen, die zusätzlich zu den extremen Temperaturen eine enorme Belastung für das Material bedeuteten.

Eigentlich aber wollten die isländischen Energiebehörden und drei lokale Energiekonzerne noch viel tiefere Bohrungen vornehmen. Gemeinsam mit internationalen Wissenschaftlern wollten sie bis ins fünf Kilometer tiefe Herz des Vulkans vordringen und untersuchen, ob sich dort sogenanntes „überkritisches Wasser“ befindet. Dabei handelt es sich um 400 und bis 600 Grad heißes Wasser, das unter einem Druck von 250 Bar steht.

Dieses überkritische Wasser in großer Tiefe erreichte die Bohrung aber nie. Damals kam das Isländische Team aber auf eine neue Idee. Das heiße Wasser ließe sich auch herstellen, in dem man Wasser von der Oberfläche in die Nähe der Magmakammer pumpt. Dieser Versuch war schließlich erfolgreich, wie sich jetzt herausstellt, denn die Forscher konnten bereits in zwei Kilometer Tiefe überkritisches Wasser über dem Magma zirkulieren lassen. Allerdings setzte die Hitze dem Material so stark zu, dass das Bohrloch 2012 geschlossen werden musste.

Überkommt man die technischen Herausforderungen allerdings, dann könnten entsprechende Anlagen in Vulkangebieten mit bis zu 50 Megawatt Leistung und mehr erzielen, glauben Wissenschaftler.

Herkömmliche geothermische Kraftwerke dagegen arbeiten mit Dampf um 200 Grad bei 25 Bar und haben lediglich eine Leistung zwischen fünf und zehn Megawatt. Vielfach sind diese Anlagen nur lukrativ, weil sich neben der Stromerzeugung gleichzeitig auch die Wärme in ein Fernwärmenetz einspeisen lässt.

Weitere Vulkan-Bohrungen geplantJetzt sind in Island weitere Bohrungen geplant, die die Hitze von Magma nutzen wollen. Die Herausforderung für die Forscher ist vor allem, geeignetes Zement und speziell beschichtete Strahlrohre zu entwickeln. Diese müssen auch einem mehrjährigen Betrieb bei sehr hohen Temperaturen standhalten.

Erst dann ist eine erfolgreiche Kommerzialisierung von vulkanischer Geothermie möglich. Die Kosten für die Versuchsbohrungen belaufen sich auf 15 Millionen Euro. Doch die Forscher rechnen damit, dass Magma-Geothermie bis zu 30 Prozent mehr Energie produzieren könnte als konventionelle geothermische Kraftwerke.

Einziger Nachteil: Die „superheiße“ Geothermie beschränkt sich auf vulkanische Gebiete. In Mitteleuropa finden sich die notwendigen Temperaturen nur in sehr großen Tiefen, was die Stromproduktion teuer machen würde. Ähnliche Projekte wie auf Island laufen aber in Neuseeland und Japan, wo Forscher ebenfalls großes Potenzial für die Magma-EGS Technologie sehen. Hinzu kommen Kalifornien, El Salvador, Kenia, die Philippinen und Costa Rica.

Eine große Zukunft prophezeien Forscher des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) dieser Form der Energiegewinnung. 2009 kamen sie in einem Report (hier als PDF) zu dem Ergebnis, dass sich der Energiebedarf der Erde mit der EGS-Technologie decken ließe.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%