Forschungsprojekt Deutschland soll auch im Winter mit Sonne heizen

Forscher in Stuttgart testen einen Speicher für Solarenergie, der Sommerwärme in den Winter rettet.

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Das jüngste Gebäude auf dem Gelände der Universität Stuttgart hat eine Nutzfläche von gerade mal 48 Quadratmetern. Es ähnelt einem winzigen Ein-Familien-Haus und soll auch so genutzt werden - allerdings wohnen nicht reale Menschen dort, sondern vorerst nur virtuelle Personen in einer Computersimulation.

Aber ganz wie im realen Leben verbrauchen die digitalen Hausbesitzer Strom, warmes Wasser und sie wollen ihre Räume heizen. Nichts Besonderes könnte man meinen.

Doch weit gefehlt: Ab Herbst nächsten Jahres wird das kleine Haus das ganze Jahr ausschließlich mit solarer Wärme beheizt, die im Sommer eingesammelt wird. In einem drei bis vier Kubikmeter großen Speicher - der zehn Mal kleiner ist als beispielsweise ein Schiffscontainer - wird die Wärme in den Winter hinübergerettet.

Und so funktioniert das System: Der Speicher, der im Frühjahr 2014 gebaut wird, enthält Zeolith, eine angefeuchtete Keramik mit unvorstellbar vielen Poren. Mit Wärme aufgeladen wird dieser sogenannte Sorptionsspeicher, indem bis zu 180 Grad Celsius heiße Luft das Wasser aus der Keramik entfernt. Die warme Luft liefern im Sommer die Hochleistungs-Solarkollektoren, die auf dem Hausdach angebracht sind oder in der Umgebung stehen.

Auch im Winter liefert die Sonne EnergieSoll Wärme aus dem Speicher abgegeben werden, tritt der umgekehrte Effekt ein. Denn wenn frische Luft über den trockenen Speicher fließt, saugt dieser sich wieder mit Feuchtigkeit voll und gibt dabei Wärme ab. Das genügt, um die Luft aufzuheizen. Sie kann dann in die Räume des Hauses geleitet werden. Im darauffolgenden Sommer wird die Feuchtigkeit wieder aus der Keramik ausgetrieben und der Speicher für den Winter trockengelegt.

Adsorption nennt sich dieser physikalische Vorgang. Ein Teil der Zeolith-Wärme wird genutzt, um auch das Wasser zum Duschen zu erwärmen.

Henner Kerskes vom Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik an der Universität Stuttgart, der das Projekt namens SolSpaces leitet, schätzt den Wärmebedarf des Mini-Hauses auf 2000 bis 2500 Kilowattstunden pro Jahr. Genauer wird er es wissen, wenn die virtuellen Bewohner den Winter überstanden haben.

Auf Grund der in dieser Zeit gesammelten Messergebnisse entscheidet Kerskes, wie groß der Speicher wird. Mit 500 bis 750 Kilowattstunden Speicherkapazität deckt er bei weitem nicht den gesamten Bedarf des Minihauses - was aber nicht so schlimm ist.

„Die Solarkollektoren tragen auch im Winter zur Deckung des Wärmebedarfs bei“, sagt Kerskes. „Es geht in Richtung Volldeckung“, formuliert er vorsichtig. Aber es könne schon mal vorkommen, dass die Raumtemperatur auf 19 statt 20 Grad sinke. Das ließe sich aber auch mit einem kleinen Gasbrenner vermeiden, der bei Bedarf zugeschaltet wird.

Minihaus für alle?Auf Grund von Schätzungen wird sich das System, wenn es später kommerziell eingesetzt wird, innerhalb von allenfalls 20 Jahren amortisieren, vielleicht sogar schneller, wenn die Energiekosten schneller steigen.

Das Haus, in dem die neue Technik erprobt wird, wurde als Ganzes angeliefert. Es ist ein Modul aus der Baureihe „Flying Spaces“ des Herstellers SchwörerHaus aus dem schwäbischen Oberstetten. Das vorgefertigte Haus ist Teil eines neuen Wohn- und Arbeitskonzeptes, bei dem Räume schnell an verschiedenen Orten aufgebaut werden sollen.

Bleibt die Frage: Wer will mit einer ganzen Familie auf 48 Quadratmetern wohnen? Erstens gibt es derzeit einen Trend zu Minihäusern, aber mit einem größeren Keramikspeicher ließen sich durchaus auch herkömmliche Einfamilienhäuser beheizen - das ganze Jahr hindurch mit Sonne. Damit wäre die Energiewende endgültig auch im Wärmesektor angekommen.

Das hält anscheinend auch das Bundesumweltministerium für eine attraktive Perspektive - die Beamten fördern das Projekt über drei Jahre mit insgesamt 650.000 Euro.

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