Fairphone Die fünf wichtigsten Fragen zum nachhaltigen Handy

Offiziell vorgestellt: Was sie vor der Markteinführung über das Fairphone wissen sollten – fünf Fragen, fünf Antworten.

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Noch kann man es nur vorbestellen, noch weiß keiner, wie erfolgreich das Konzept sein wird. Doch eines haben die Gründer des niederländischen Startups Fairphone schon vor der Markteinführung ihres neuen Handys erreicht: Sie bekommen jede Menge Aufmerksamkeit.

Während der weltweite Siegeszug der Alleskönner-Handys in den vergangenen Jahren häufig überschattet wurde von Meldungen über schlechte Arbeitsbedingungen bei chinesischen Zulieferern oder Konfliktmineralien aus Afrika, schufen sie ein Gegenmodell. Ein bezahlbares Smartphone, dessen Wertschöpfungskette sauber bleiben soll.

Am Montag stellten sie das faire Handy in London offiziell Publikum und Presse vor. Zu diesem Anlass gehen wir fünf wichtigen Fragen zum Fairphone nach.

Ein nachhaltig produziertes Handy für 325 Euro – geht das?Offensichtlich ja – dahinter steckt vor allem die geringe Gewinnmarge. Während Apple pro verkauftem iPhone (ohne Rabatt vom Mobilfunkanbieter) geschätzte 68 Prozent Profit macht, bleiben bei den Fairphone-Entwicklern nach eigenen Angaben gerade einmal fünf Euro pro Handy hängen. 185 Euro des Kaufpreises  gehen für Technik und Gestaltung drauf, noch einmal 45 Euro für die Unternehmensprozesse.

Erstaunlich an der Preis-Zusammensetzung ist, dass die Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens gerade einmal mit 22 Euro pro Handy zu Buche schlagen. Da drängt sich die Frage auf, ob Apple und seine Mitstreiter die Schreckensmeldungen aus chinesischen Fabriken und kongolesischen Rohstoffminen nötig haben.

So schlüsselt Fairphone seine Kosten auf:

Kann das Fairphone gegen iPhone und Co. mithalten?Mit dem technischen Niveau der neuesten Geräte kann sich das Handy sicher nicht messen. Das ist aber auch nicht der wesentliche Anspruch der Faiphone-Macher. Wer ein Fairphone will, muss sich mit etablierter Technik zufrieden geben. Der superschnelle Verbindungsstandard LTE fehlt ebenso wie ein großes, hochauflösendes Display oder eine Digitalkamera auf dem Stand der Technik. Auch auf die Near-Field-Communication, die künftig verstärkt zum Bezahlen mit dem Handy dienen soll, haben die Entwickler verzichtet.

Dafür findet sich im Handy alles, was sich seit Jahren in der Smartphone-Welt bewährt hat: W-LAN, HSPA, GPS-Satellitentechnik und Bluetooth. Im Lieferumfang sind jedoch weder ein Ladekabel noch ein Headset enthalten – die, so die Macher, hätten die meisten Handy-Nutzer sowieso schon zu Hause.

Ist wirklich alles an dem Handy „fair“?So weit ist das junge Unternehmen noch nicht – das gibt es auch offen zu. Doch es arbeitet mit Hochdruck an der Nachhaltigkeit seiner Lieferkette und kooperiert mit zahlreichen Initiativen und NGOs. Derzeit prüft der Dienstleister TAOS die Arbeitsbedingungen in der chinesischen Fabrik in A’Hong.

Die gesamte Wertschöpfungskette wollen die Niederländer so durchschaubar wie möglich machen. Bislang setzen sie auf konfliktfreies Zinn und fair gewonnenen Kobalt. Sie versprechen, künftig alle seltenen Erden und Metalle, die für die Handyproduktion gebraucht werden,  aus Quellen zu beziehen, bei denen die Arbeiter fair bezahlt werden und nicht indirekt bewaffnete Konflikte finanziert werden.

Man sei „sehr nah“ an dem Ziel, Fairtrade-zertifiziertes Gold zu beziehen, schreibt das Unternehmen auf seiner Webseite. Damit wäre Fairphone der erste Elektronik-Hersteller, der nur Fairtrade-Gold verwendet.

Ist das Handy nur was für Tüftler?Zur Vorstellung des fertigen Handys in London brachten die Fairphone-Macher keine aufwändige Präsentation mit, einen große Bühnenshow im Stil der Konkurrenz gab es nicht. Stattdessen setzten sie die Teilnehmer an einen großen Tisch, auf dem Werkzeug bereit lag. Unser Handy kann man selbst auseinander schrauben und es reparieren – das Fairphone bedeutet auch möglichst wenig Elektroschrott, so die Botschaft.

Das ist wohl Teil der Nachhaltigkeitskampagne. Wie ein Tüftler-Gerät wirkt das Fairphone mehreren Reviews zufolge indes nicht. Eher passt es sich dem gängigen Smartphone-Design an. Dennoch wirbt das Unternehmen mit der Root-Fähigkeit des Handys, also dem möglichen Austauschen und Verändern des Betriebssystems. Ausgeliefert wird das Handy mit Googles Betriebssystem Android 4.2, später soll ein Wechsel zu Firefox OS oder Ubuntu möglich sein.

Das ist eine logische Folge des Entwicklungsprozesses, bei dem das Unternehmen auf Open-Source-Prinzipien gesetzt hat. „Wir wollen den Kunden die Hoheit über ihr Smartphone zurückgeben“, sagt Fairphone-Chef Bas van Abel – ein unzweideutiger Seitenhieb auf die heute gängigen geschlossenen Systeme.

Mache ich mit diesem Nischen-Produkt wirklich einen Unterschied?Apple hat nach eigenen Angaben innerhalb von nur drei Tagen schon mehr als neun Millionen seiner neuen iPhones verkauft. Und das Fairphone? Ist schon mehr als 15.500 Mal vorbestellt; 25.000 Exemplare sollen zur Markteinführung im Dezember lieferbar sein. Das ist lächerlich wenig verglichen mit dem Smartphone-Markt, bei dem allein in Deutschland 2013 rund 26 Millionen Stück verkauft werden könnten.

Doch jeder fängt mal klein an. Das Fairphone könnte sich als Trendsetter erweisen – für vergleichweise wenig Geld schaffen es die Gründer, schon jetzt weitgehend die Nachhaltigkeit ihrer Wertschöpfungskette zu sichern. Sie müssen beweisen, dass sie das auch bei größeren Stückzahlen schaffen. Dann schauen andere Handy-Hersteller sich vielleicht etwas von den Niederländern ab.

Und auch wenn der Kauf eines Fairphones nichts an den großen Problemen ändert, ist es doch wie mit allen fair gehandelten Produkten: Man kauft auch die Gewissheit, dass die Arbeit, die in dem Produkt steckt, wertgeschätzt und anständig bezahlt wird.

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