Energie Dieser Fischkutter produziert Strom für 100 Haushalte

Ein Norweger baut einen alten Kahn zu einem Wellenkraftwerk um – bald soll das Schiff auch Treibstoff herstellen.

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Ein paar Kilometer vor der Küste Norwegens liegt ab Mitte März erneut die MS Havkraft vor Anker, ein ehemaliger Fischkutter. Die hohen Wellen lassen ihn auf- und niederhüpfen wie eine Boje. Doch statt über die Wellen zu springen, fängt er sie teilweise auf. Denn als er nicht mehr gebraucht wurde, rüstete Edgar Kvernevik, Projektmanager des gleichnamigen Ingenieurbüros im norwegischen Sandane, gemeinsam mit Havkraft, einem norwegischen Spezialisten für erneuerbare Energien, den Kutter zum Wellenkraftwerk um.

Im Bug befinden sich vier Einlassöffnungen, die Wasser aufnehmen, das ebenso viele Kammern im Schiffsrumpf füllt. Die daraus verdrängte Luft treibt Rotoren an, die mit Generatoren gekoppelt sind.

Strom für 100 HaushalteWenn das Wasser aus den Kammern herausfließt, schießt wieder Luft hinein, die die Rotoren weiter antreibt. Deren Blätter sind so geformt, dass sie sich immer in eine Richtung drehen, ganz gleich, ob die Luft von vorn oder hinten hindurch strömt.

Jede Kammer hat eine elektrische Leistung von 50 Kilowatt. Pro Jahr soll der Fischkutter immerhin 350.000 Kilowattstunden Strom produzieren, das wäre genug, um rund 100 Deutsche Durchschnittshaushalte zu versorgen. In der Mitte März beginnenden zweiten Testphase wird der Strom allerdings ebenso wenig genutzt wie in der ersten. Noch fehlt eine Kabelverbindung an Land.

Stattdessen wird der Strom einfach in großen Heizwiderständen vernichtet. Die Initiatoren wollen in dieser Phase nur beweisen, dass das schwimmende Wellenkraftwerk wie erwartet funktioniert.

Die eingesetzte Technik ähnelt verblüffend der einer Anlage des schottischen Unternehmens Wavegen, das seit einigen Jahren zu Voith Hydro in Heidenheim gehört. Ihr erstes Wellenkraftwerk bauten die Schotten vor rund 15 Jahren auf der schottischen Insel Islay.

Schiff produziert auch TreibstoffDort schwappen die Wellen in einen Betonbunker in den Küstenfelsen und verdrängen daraus die Luft, die wiederkehrt, wenn die Welle zurückfällt. Mit einer Leistung von 250 Kilowatt ist Limpet, wie das Kraftwerk heißt, nur wenig größer als das der Norweger. Mittlerweile gibt es eine weitere Anlage dieser Bauart im spanischen Baskenland.

In Norwegen verfolgt man aber größere Pläne als in Schottland. „Unser Projekt ähnelt einer dreistufigen Rakete“, sagt Projektmanager Kvernevik. Der Bau des schwimmenden Wellenkraftwerks ist Stufe eins. Dann wird ein Elektrolyseur an Bord installiert, der den erzeugten Strom in Wasserstoff umwandelt.

„Wir haben die große Hoffnung, dass Wasserstoff der zukünftige Treibstoff für Autos ist“, sagt der Norweger. Mit Wellenenergie könne ein konkurrenzfähiger Preis erreicht werden.

In Stufe drei bauen die Norweger schiffsgestützte Wellenkraftwerke mit einer Leistung von 1,5 Megawatt. Auf schwimmenden Plattformen sollen die nächst größeren Wellenkraftwerke errichtet und mit Windgeneratoren kombiniert werden (siehe Abbildung links). Diese sollen sechs Megawatt leisten, die zugehörigen Wellenkraftwerke vier Megawatt. Der Vorteil dieser Konstruktion: Auch bei Flaute würden die Wellen Strom produzieren, das Ökokraftwerk würde damit rund um die Uhr Strom liefern.

Der Strom, den die Anlagen erzeugen, werde per Unterwasserkabel an Land gebracht, erklärt Havkraft-Chef Geir Arne Solheim. Oder in ebenfalls auf den Plattformen errichteten Elektrolyseuren in Wasserstoff umgewandelt, der dann per Schiff oder Pipeline an Land gebracht werden muss.

Das sind große Pläne, keine Frage. Vor allem, weil bisher kaum kommerzielle Anwendung für die Meeresenergie existieren. Bisher hielt keine Technik zu vertretbaren Kosten der Kraft des Wassers stand. Dass es diesmal anders ist, will Kvernevik beweisen.

Damit verfolgt er ganz ähnliche Pläne wie der deutsche Professor Michael Sterner. Der plant Schiffe, die mit Windturbinen ausgestattet sind und aus dem Strom Wasserstoff produzieren. Die Nutzung von Wellenkraft ist in diesem Konzept allerdings nicht vorgesehen.

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