Energie Alte AKW sollen zu Ökostrom-Speichern werden

Fraunhofer-Forscher und ein US-Startup wollen deutsche AKW zu Energiespeichern machen. Die Suche nach Standorten hat begonnen.

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An 13 Kernkraftwerken, die seit Jahren still stehen, nagen die Bagger. Sie werden abgerissen, beziehungsweise zurückgebaut, wie Experten sagen. Acht weiteren steht, wenn die radioaktive Strahlung im Inneren nach einigen Jahren Stillstand abgeklungen ist, das gleiche Schicksal bevor. Ebenfalls den neun noch laufenden Anlagen, die spätestens bis 2022 vom Netz gehen sollen.

Insgesamt kommen bei all diesen Kraftwerken, sollten sie einst vollständig zurückgebaut werden, 10 bis 15 Millionen Tonnen Stahl und Beton zusammen, die auf Deponien gelagert werden müssen.

Obwohl dieser Schutt nicht radioaktiv strahlt, wächst schon heute der Widerstand der Bevölkerung gegen dessen Endlagerung, etwa in Baden-Württemberg. Dort wird gerade das Kernkraftwerk Obrigheim abgerissen. Den Bauschutt will niemand haben.

Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) in München und das in Deutschland höchst aktive US-Unternehmen Gravity Power haben jetzt eine Zusammenarbeit vereinbart, um an den Standorten der Kernkraftwerke Speichersysteme zu bauen, die überschüssigen Wind- und Solarstrom puffern. Gleichzeitig soll der Bauschutt an Ort und Stelle verwertet werden.

Erster Schritt: Beton entstrahlen

Da alle Kernkraftwerke hervorragend an das Hochspannungsnetz angeschlossen sind, gibt es beim Ein- und Ausspeisen des Stroms keine Probleme.

Das IBP hat mit der elektrodynamischen Fragmentierung ein Verfahren zum Recycling von Altbeton entwickelt und in zwei Versuchsanlagen getestet. Dabei werden die Betonbrocken durch hochfrequente Stromschläge, also energiereiche Blitze, in Sekundenschnelle in ihre Ausgangsstoffe Zement, Sand und Kies zerlegt. Das geschieht bei elektrischen Spannungen von derzeit bis zu 500000 Volt. Aus dem Rohmaterial lässt sich wieder Beton herstellen.

Dafür hat Gravity Power Verwendung. Es plant, mit bergmännischen Verfahren Rundlöcher mit einem Durchmesser von bis zu 80 Metern und mit einer Tiefe von bis zu 800 Metern in den Boden zu treiben. Vier Millionen Tonnen Steine und Erde werden dabei ans Tageslicht gefördert. Dieses unbelastete Material kann bedenkenlos deponiert oder zur Landschaftsgestaltung am jeweiligen Standort verwendet werden.

Das gewaltige Loch wird innen mit Beton ausgekleidet. Dafür geht schon ein Gutteil des elektrodynamisch fraktionierten Materials aus dem Kernkraftwerk drauf.

Gewicht von 300 Eiffeltürmen

Das Loch wird dann mit einem gewaltigen Kolben verschlossen, der halb so hoch ist wie das Loch tief und dicht an der Wand anliegt. Gewaltige Pumpen pressen in den unteren Bereich des Zylinders immer dann Wasser, wenn Wind- und Solarkraftwerke Strom erzeugen, der keine Abnehmer findet und heute verschenkt werden muss. Manchmal müssen die Stromerzeuger sogar zuzahlen, damit sich im Ausland Verbraucher finden.

Der gewaltige Kolben steigt dann in die Höhe, bis seine obere Kante die Erdoberfläche erreicht. Wenn Strommangel herrscht, wird das Rohr geöffnet, durch das der Zylinder befüllt worden ist. Das Wasser schießt mit mächtigem Druck heraus und treibt einen Turbogenerator an.

Damit der Druck groß genug ist, muss der Kolben ein möglichst hohe Gewicht haben. Dafür sorgen der Rest des recycelten Betons und Stahlschrott aus dem jeweiligen Kernkraftwerk. Wenn das immer noch nicht reicht, kommt noch Felsgestein aus dem Aushubmaterial hinzu.

Bei einer Leistung von 300 Megawatt, die bei gefülltem Zylinder acht Stunden zur Verfügung stehen, muss der Kolben drei Millionen Tonnen wiegen, das ist so viel wie 300 Eiffeltürme.

Die Fraunhofer-Forscher und Gravity Power bieten das Verfahren derzeit den Besitzern von Kernkraftwerken an. Für sie wäre es ein praktischer Weg, um AKW-Material loszuwerden, das heute niemand haben will.

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