Durchbruch für Bio-Biosprit? Weltgrößte Anlage für Abfalltreibstoff in Betrieb

In den USA produziert eine Anlage aus Abfällen 100 Millionen Liter Ethanol pro Jahr. Start einer Treibstoff-Revolution?

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Die weltweit größte Anlage, in der Ethanol aus biologischen Abfällen statt aus Nahrungs- oder Futtermitteln hergestellt wird, ist in Hugoton im US-Bundeststaat Kansas in Betrieb gegangen. Pro Jahr wollen die Ingenieure dort rund 100 Millionen Liter Biosprit produzieren. Das ist doppelt so viel, wie das bisher größte Werk für Zellulose-Sprit in Crescentino, Italien, liefert. Eine kürzlich in Betrieb genommene Anlage in Brasilien liefert immerhin rund 80 Millionen Liter.

Die Fabrik in Hugoton errichtete der Anlagenbauer Abengoa, ein im spanischen Sevilla ansässiger Spezialist für Bio- und Solarenergie, der in den vergangenen Jahren Millionen in die Forschung und Entwicklung der Biotreibstoffherstellung investierte. Die einzige Anlage zur Herstellung von Zellulose-Ethanol in Deutschland, die der Chemiekonzern Clariant 2012 im bayerischen Straubing in Betrieb nahm, schafft 1,3 Millionen Liter pro Jahr. Das Ethanol wird Benzin beigemischt, in Deutschland vor allem dem Treibstoff E10, der zehn Prozent Alkohol enthält. In den USA fahren sogenannte Flex-Fuel-Autos auch mit 85 Prozent Ethanol im Tank.

Empfindliche MikroorganismenWährend Bioethanol der ersten Generation aus Getreide oder Zuckerrüben entsteht, was wegen der Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion höchst umstritten ist, genügen für Bioethanol der zweiten Generation Abfälle wie Stroh, Holzreste oder Grünschnitt, der bei der Gehölzpflege an Straßen und Bahngleisen anfällt.

Anders als Getreide oder Zuckerrüben enthält die Zellulose in den Abfällen aber kaum Glucose, die die seit Jahrtausenden genutzten Hefen in Alkohol, sprich Ethanol, umsetzen können. Vorherrschend sind die Zuckerarten Xylose und Arabinose. Für eine ökonomische Produktion von Ethanol aus Zellulose müssen auch diese Varianten verwertet werden. Das funktioniert mit speziell gezüchteten, manchmal auch genmanipulierten Mikroorganismen. Jeder Anlagenbauer setzt dabei seine eigene Züchtung ein, die sie geheimhalten wie Coca-Cola seine Brausemischung. Außerdem müssen die Pflanzenreste vorher aufwendig bearbeitet werden, sodass ihn die Mikroorganismen überhaupt verwerten können. Dieser Schritt fällt bei herkömmlichem Biosprit weitgehend aus.

In Hugoton in Texas werden pro Jahr rund 350.000 Tonnen Biomasse aus der Landwirtschaft verarbeitet, die aus einem Radius von 50 Meilen um das Werk herum kommen sollen. Täglich bleiben rund 300 Tonnen Abfälle übrig, die die verwendeten Hefen nicht umsetzen können. Diese werden in einem 18-Megawatt-Kraftwerk verbrannt. Ein Teil des Stroms versorgt die Anlage, der Rest fließt ins öffentliche Netz.

Abengoa, das die Ethanolfabrik selbst betreibt, hat stolze 271 Millionen US-Dollar in den Bau investiert. Weitere 229 Millionen gab es als Zuschuss beziehungsweise in Form einer Bürgschaft des US-Energieministeriums. Abengoa schätzt, dass es einen Liter Ethanol für 47 Eurocent produzieren kann.

Durchbruch für die Technik?Bisher betreibt Abengoa in Spanien, den Niederlanden, in den USA und Brasilien vor allem Fabriken, die Ethanol der ersten Generation liefern, also Sprit aus Getreide und anderen zucker- oder stärkehaltigen Pflanzen. In den USA gibt es zudem mehr als ein Dutzend Versuchsanlagen, in denen Zellulose-Ethanol hergestellt wird. Alle zusammen produzieren kaum mehr als zehn Prozent dessen, was Abengoa schafft. Bis Ende dieses Jahres soll die Fabrik die volle Kapazität erreichen.

Bisher hatten die Anlagenbauer in den USA mit Zellulose-Ethanol aber wenig Glück. Das von Investoren üppig unterstützte Startup Kior musste seine Anlage in Columbus im US-Bundesstaat Mississippi Anfang 2014 – zumindest vorerst – stilllegen, weil es an Geld für Umbauten und weitere Forschungsarbeiten fehlte.

Gevo, ein weiterer Zellulose-Ethanol-Pionier, schwenkte zwischenzeitlich auf die Herstellung von Butanol um, das auch als Zusatz zu Benzin und Diesel genutzt werden kann. Die Anlage in Luverne im US-Bundesstaat Minnesota musste allerdings abgeschaltet werden, weil sie verunreinigt war; die wertvollen Hefen wurden zerstört.

Ob die Anlage von Abengoa ein Erfolg wird, ist deshalb noch nicht abzusehen. Zwar setzen nicht nur die USA, sondern auch die Europäische Union auf den Biosprit der zweiten Generation und schreiben dessen Verwendung gesetzlich vor.

Fraglich ist allerdings, ob der neue Sprit ohne die staatliche Förderung marktfähig wäre. Ethanol der ersten Generation kostet in den USA mittlerweile ebensoviel wie herkömmliches Benzin, der neue, wirkliche Biosprit ist dagegen bisher noch doppelt so teuer, obwohl die Produktionskosten in den vergangenen Jahren schon um 80 Prozent gesunken sind. Einen Vorteil hat der Zellulose-Sprit allerdings: Er ist sehr viel klimafreundlicher als herkömmliche Biotreibstoffe und Erdöl.

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