Doppelkraftwerk Dachmodul produziert Strom aus Wind und Sonne

Hausbesitzer sollen bald 300 Tage im Jahr eigenen Strom erzeugen können. Mit der Technik eines Schweizer Startups.

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Die Ökostromproduktion mit Solaranlagen auf dem Hausdach ist weit verbreitet. Doch wie lässt sich bei bewölktem Wetter Energie erzeugen? Die Antwort scheint einfach: mit Wind.

Genau diesen Ansatz verfolgt das Schweizer Unternehmen Anerdgy mit seiner WindRail genannten Technologie. Die soll es ermöglichen, mit ein und demselben Modul Wind- und Sonnenenergie zu ernten.

Anerdgy-Gründer Sven Köhler will seine Technik noch in diesem Jahr fertig entwickeln und 2015 auf den Markt bringen. Sein Versprechen: Im besten Fall kann ein Hausbesitzer damit an 330 Tagen im Jahr Strom erzeugen. Im schlechtesten Fall sollen es immer noch 220 Tage sein.

Dabei sind die Windturbinen in Form eines Schaufelrades in einen mannshohen Kasten eingelassen, der direkt über der Traufe sitzt, also dem Übergang von der Fassade zum Dach. Die Solarzellen werden auf der Oberseite des Kastens angebracht. Allerdings: Voraussetzung für die Installation ist ein Flachdach auf das der Kasten wie ein Gesims aufgesetzt werden kann und ein entsprechend großes Haus. Für Eigenheimbesitzer scheidet die Technik deshalb aus.

Der Hintergrund der Idee von Sven Köhler: An der Dachkante weht der Wind oft besonders stark, weil das Haus die Luft gegen die Kante drückt. Somit kann das Windrad hier sehr effizient Strom erzeugen. Außerdem nutzt die Anlage den Druck zwischen Dachkante und Flachdachseite. Die Luft strömt durch diese Sogwirkung nochmals 20 Prozent schneller in die Turbine und kann somit die Effizienz verbessern.

Statt Mini-Windrad eine integrierte StromerzeugungDoch noch bestehen für Anerdgy einige Hürden. Gerade in Städten kann es um Gebäude herum zu starken Turbulenzen kommen, die für Windkraftanlagen problematisch sind. Ingenieure der Universität Basel wollen nun beim installierten Prototypen die ideale Position der Windräder berechnen, um die Effizienz und Sicherheit von WindRail bei unregelmäßigem Wind sicherzustellen.

Ein Modul hat dabei eine Grundfläche von vier Quadratmetern. An der Oberseite des Aufbaus erzeugen Solarzellen mit 1000 Watt Leistung je nach Witterung sogar mehr Strom als die 1000 Watt starke Windturbine.

In windärmeren Regionen wie der Schweiz werden daher vor allem die Solarpanels zum Einsatz kommen, während beispielsweise in Norddeutschland das Windrad den Löwenanteil der Energie liefern wird.

Ein standardisiertes Modul von Anerdgy soll für 2000 Euro erhältlich sein. Damit die Ästhetik nicht zu kurz kommt, lässt sich die Form des vorderen, sichtbaren Bereichs farblich gestalten und der Architektur anpassen.

Je nach Anzahl der Module und den Wetterverhältnissen kann WindRail zwischen 1500 und 3500 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen. Im besten Fall amortisieren sich die reinen Modulkosten also schon nach zwei Jahren. Hinzu kommen aber Montage und Anschluss der Apparatur.

Großer Markt für KleinwindanlageDie studentische Initiative oikos consulting der Universität St. Gallen errechnete für Anerdgy ein potentielles Marktvolumen von zwei Milliarden Euro in zehn europäischen Ländern. Etwa jedes hundertste Haus soll in der Schweiz für eine Installation des WindRails geeignet sein. In den windreicheren Ländern Deutschland und England besteht sogar ein noch größeres Potenzial. Vor allem Lagerhallen und Einkaufszentren wären perfekt für das Modul geeignet.

Funktioniert die Technik am Ende tatsächlich, hätte die Schweizer Entwicklung das Potenzial der Windenergie in der Stadt und auf Hausdächern zum Durchbruch zu verhelfen. Denn bisher lohnen sich kleine Windräder für den Privatgebrauch kaum.

In Deutschland wird Anerdgy WindRail im Frühjahr auf der Hannover Messe vorstellen und versuchen, einen Teil des hiesigen Marktes für dezentrale Kleinwindanlagen zu erobern.

Neben den Schweizern von Anerdgy will auch Kurt Spiegelmacher von der Fachhochschule Kaiserslautern  die Windkraft auf die Hausdächer bringen. Sein Konzept erzeugt Windstrom auf einer unauffälligen Dachkonstruktion. Der anströmende Wind wird dabei großflächig gesammelt und in kleinen Wind-Turbinchen zusammengeführt, um so Strom zu erzeugen. Wo sehr starker Wind weht, soll die Technik bei 100 Quadratmetern Dachfläche pro Tag um die 50 Kilowattstunden Strom liefern. An drei Tagen wäre damit schon der Jahrestrombedarf eines effizienten Kühlschranks gedeckt.

 

Nachtrag: Die Grundfläche des Windrail-Standardmoduls von Anerdgy beträgt vier Quadratmeter am Dachboden. Die Solarzellen werden jedoch über der Windturbine aufgespannt und überlappen diese. Damit ergibt sich eine Photovoltaikfläche von 7 Quadratmeter. Die Windnennleistung von 1000 Watt ist eine Referenzgeschwindigkeit, die gegenwärtig getestet wird. Entsprechende Daten liegen ab Sommer 2014 vor.  

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