Dieses Fenster kann alles „Fluidglas“ heizt, kühlt und schützt vor Sonne

Forscher haben ein Fenster entwickelt, das im Winter heizt, im Sommer kühlt und vor der Sonne schützt.

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Architekten lieben Glas. Verglaste Fassaden sollen Transparenz und Leichtigkeit vermitteln. Keine Frage, große Glasflächen sehen oft ziemlich gut aus – haben aber zwei Nachteile: Im Sommer lassen sie zu viel Wärme in die Gebäude. Und Winter isolieren sie schlecht.

Eine europäische Forschergruppe will dieses Problem jetzt auf ungewöhnlichem Wege lösen. „Wir schaffen eine adaptive Glasfassade, die auf die Bedürfnisse der Nutzer der Gebäude reagiert“, sagt Volker Ritter von der Universität Liechtenstein, der das Projekt namens „Fluidglass“ koordiniert. Auf deutscher Seite sind die TU München und die Universität Stuttgart dabei. Die EU fördert das Vorhaben mit 3,9 Millionen Euro.

Die Forscher haben ein Fenster mit drei Scheiben entwickelt, in deren Zwischenräumen Wasser zirkuliert. Im Winter wird die Flüssigkeit zwischen der inneren und mittleren Scheibe von der Heizung des Gebäudes erwärmt. Das Fenster strahlt dann großflächig Wärme ab, ähnlich wie eine Fußbodenheizung. Das ist effizient, sagen die Forscher – und macht die Räume zugleich behaglicher. Denn die meisten Menschen empfinden solche Flächenheizungen als sehr angenehm.

Im Sommer fließt dann kaltes Wasser durch den Spalt. Das kühlt die innere Scheibe. Dabei nimmt es Wärme aus dem Raum auf und leitet sie über Wärmetauscher in einen Speicher.

Metallpartikel halten die Wärme fernDer Clou liegt aber zwischen der äußeren und mittleren Scheibe. Sobald an warmen Tagen Sonne auf das Fenster trifft, färbt sich das Wasser darin blitzschnell ein. Das geschieht mithilfe winziger Metallpartikel, die die Wärmestrahlung reflektieren. Je stärker die Sonne scheint, desto mehr Partikel werden zugegeben.

Ist dann wieder Klarsicht gewünscht, etwa wenn der Himmel zuzieht, filtert ein Magnet die Partikel heraus – und der Vorgang kann erneut beginnen. Gesteuert wird das System mithilfe eines Algorithmus, der Faktoren wie die Sonneneinstrahlung, die Nutzung des Raumes, die Uhrzeit oder Wetterprognosen berücksichtigt.

Ein Fenster, das sich bei Sonneneinstrahlung automatisch einfärbt: Das ist keine ganz neue Erfindung. Einige Hersteller haben Fensterglas entwickelt, das sich verdunkelt, wenn eine elektrische Spannung angelegt wird. Gegenüber dieser Technologie hat Fluidglass laut Ritter den Vorteil, dass es sich deutlich schneller verfärbt. So dringt weniger Wärme in den Raum, wenn die Sonne plötzlich durch die Wolken bricht. Dazu kommt die aktive Klimatisierung des Raumes über die innere Scheibe.

Herausforderung für das HandwerkIm Labor funktioniert das Fluidglass-Konzept schon gut. Jetzt stehen umfassende Praxistests an. Bis das System auf den Markt kommt, wird noch einige Zeit vergehen. „Wir gehen davon aus, dass dies nicht vor 2018 der Fall sein wird“, sagt Ritter.

Sollte sich das Konzept in den Tests bewähren, müssen die Handwerker umdenken. Denn Fluidglass ist gleichermaßen Fenster und Heizung. Daher sind Fassaden- und Heizungsbauer gefordert, beim Einbau eng zusammenzuarbeiten. Die Baupraxis zeigt allerdings, dass eine solche gewerkeübergreifende Zusammenarbeit nicht immer ganz einfach ist.

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