CO2 Neues Verfahren fängt Klimagas in Kraftwerken

Klimafreundliche Kohlekraftwerke waren bisher Utopie. Mit einem neuen Verfahren von Forschern der TU-Darmstadt könnten sie Wirklichkeit werden.

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Wird saubere Kohle und sauberes Erdgas bald tatsächlich Realität? Beide Energieträger sind für einen Großteil des weltweiten Ausstoßes von CO2 verantwortlich. Deshalb forschen seit Jahren Unternehmen und Universitäten an Technologien, um das Klimagas in den Kraftwerksschloten einzufangen.

Von Kohlendioxid fressenden Mikroben bis zu chemischen Filtern sind viele Verfahren im Test – wirklich überzeugt, hat noch keins davon. Meist sind sie zu energieaufwendig oder zu teuer. So reduzieren CO2-Filter die Effizienz bestehender Kohlekraftwerke um bis zu 15 Prozent – wirtschaftlich zu betreiben sind die Stromfabriken damit kaum. Das aber ändert sich.

Denn 30 Wissenschaftler des Instituts für Energiesysteme und Energietechnik der Technischen Universität Darmstadt haben nach vierjähriger Arbeit ein Verfahren präsentiert, um Kohlestinker und Gasmeiler sauberer zu machen. Dafür hat die Gruppe unter der Leitung des Kraftwerkstechnikers Bernd Epple das sogenannte „Carbonate-Looping-Verfahren“ entwickelt.

Und so funktioniert es: Ein mit Kalkstein gefüllter Reaktor, der einem überdimensionierten eisernen Tee-Ei ähnelt (siehe Bild unten), fängt in einem ersten Schritt das Kohlendioxid noch vor den Schornsteinen ab. Der Kalkstein bindet das CO2 dabei in einer chemischen Reaktion, wobei der Rest des Verbrennungsdampfes weiter in den Schornstein fließt.

In einem zweiten Reaktor wird der Kalkstein auf 900 Grad erhitzt, so dass er das CO2 wieder abgibt. Das Klimagas können die Experten dann entweder in unterirdische Kavernen verpressen oder an die Chemieindustrie liefern. Die stellt aus dem Kohlendioxid inzwischen unzählige Produkte aus Kunststoff her, zum Beispiel Matratzen und Sportschuhe. Diese Verfahren sind auch unter den Namen Carbon-Capture-Storage (CCS) und Carbon-Capture-Utilisation (CCU) bekannt.

Der Kalkstein geht dann vom CO2 befreit im Kreislauf wieder in den ersten Reaktor zurück.

Mit der Technik, so Bernd Eppler, lassen sich mehr als 90 Prozent des CO2s in einem Kraftwerk abscheiden. Diese Werte lieferte eine Versuchsanlage an der Universität, die bisher 1000 Stunden in Betrieb war.

Gleichzeitig reduzierten die Forscher die für die Abscheidung benötigte Energie. Kraftwerke mit dem Looping-System sollen nur noch fünf Prozent Effizienzverlust haben. Möglich macht es die Nutzung der Abwärme der beiden Reaktoren, aus der eine Turbine Strom erzeugt.

Die höhere Effizienz senkt logischerweise auch den Preis. Zwischen 15 und 20 Euro kostet es, laut Eppler, auf diesem Weg eine Tonne CO2 einzufangen. Bestehende Verfahren kosten meist doppelt so viel. Lohnen wird sich aber auch die neue Technik für Kraftwerksbetreiber erst, wenn die Preise für CO2-Zertifikate wieder steigen. Derzeit kostet ein Zertifikat für eine Tonne CO2 rund sieben Euro.

Ein weiterer Vorteil der Carbonate-Looping-Reaktoren: Sie lassen sich in bestehenden Kraftwerken nachrüsten. Dass seine Entwicklung ein Erfolg wird, davon ist Epple überzeugt: „Das Verfahren ist ein Meilenstein auf dem Weg zum CO2-freien Kraftwerk. Dadurch könnten Kohle-, Erdgas-, Biomassekraftwerke und Müllverbrennungsanlagen kostengünstig Strom und Wärme erzeugen, ohne die Umwelt zu belasten“, sagt er.

Nun haben die Vorbereitungen begonnen, das Verfahren auf die zwanzigfache Größe und damit auf Industriemaßstab zu skalieren. Mit Unterstützung von Regierung und verschiedenen Industriepartnern (u.a. Alstom, RWE, E.On und Hitachi) will Epple die Reaktoren schon in den kommenden Jahren in einem bestehenden Kraftwerk einsetzen. Die Entwicklung des Verfahrens kostete bisher insgesamt 6,5 Millionen Euro.

Hier noch eine Animation zu geplanten CCS-Projekten in Kanada:

http://www.youtube.com/watch?v=R0i6dhEPSwU

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