China Kommt die grüne Revolution?

Chinas Wirtschaft boomt weiter. Die Führung in Peking will jetzt auch den grünen Umbau des Landes vorantreiben - kann das gelingen? Von Bruno Rudnik

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Von Bruno Rudnik, Gründer und Geschäftsführer der auf Cleantech spezialisierten Münchener Unternehmensberatung Sustech Consult.

Eine Revolution war es nicht. Vielmehr eine in turbulenten Zeiten sorgfältig vorbereitete und wohl austarierte Stabübergabe an die nächste Führungsgeneration. Staatspräsident Xi Jinping und Premierminister Li Keqiang sind nicht erst seit dem Mitte März zu Ende gegangenen chinesischen Volkskongress die neuen mächtigen Männer in Peking.

Wenn es um China geht, wird im Westen traditionell so viel spekuliert wie analysiert: Was bedeutet zum Beispiel der Machtwechsel für Chinas Umwelt- und Industriepolitik? Immerhin war Li Keqiang der erste hochrangige chinesische Politiker, der sich im Januar zum Smog in Peking zu Wort gemeldet hat und die Ineffizienz des bisherigen Wachstumsmodells klar ausgesprochen hat.

Etwa zeitgleich hatte China für 2012 zwar eine Reduzierung der Kohlenstoffintensität des wirtschaftlichen Wachstums um 3.5% im Vergleich zum Vorjahr bekanntgegeben. Doch Chinas CO2-Ausstoß pro Kopf liegt inzwischen nahezu so hoch wie der Wert für die Europäischen Union. Das globale Phänomen Klimawandel wird ohne eine aktive Rolle Chinas nicht gelöst werden. Aber das allein ist es nicht, was China antreibt auf dem Weg der grünen Erneuerung.

Planwirtschaft wird grünNoch viel mehr als vor der Weltgemeinschaft muss Chinas Regierung vor der eigenen Bevölkerung Rechenschaft ablegen. Verschmutzte Luft, verunreinigte Gewässer, Verlust von Land und Lebensraum bedrohen ganz unmittelbar das propagierte Ziel einer „stabilen“ Gesellschaft. Einen abrupten Kurswechsel wird und kann es nicht geben. Dazu sind die politischen Interessenkonflikte – und der Tanker China selbst – zu groß. Dennoch: Durchaus vergleichbar mit Chinas ökonomischem Aufstieg seit 1979, wird es in den nächsten 30 Jahren ein beispielloses Großmanöver hin zu einer grüneren Wirtschaft geben.

Im Rahmen des aktuellen 5-Jahres-Plans werden beispielsweise sieben strategische Industrien (u.a. Erneuerbare Energien und Elektromobilität) mit Regierungsgeldern in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar gefördert. Diese Summe entspricht etwa dem Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Gleichzeitig sollen die Aufwendungen für Forschung & Entwicklung auf 2.2% der Wirtschaftsleistung erhöht werden. Damit würde China bereits das durchschnittliche Niveau der Europäischen Union übertreffen.

Trotz aller nationalen Bemühungen um eine Innovationskultur gerade auch im Bereich der grünen Technologien: China wird auch zukünftig auf ausländisches Wissen angewiesen sein. Eine aktuelle Studie von Prognos und der Bertelsmann-Stiftung etwa belegt die hohe Abhängigkeit Chinas von deutscher Ingenieurskunst.

Deutsche Unternehmen geraten unter DruckEin Beispiel: Während China massiv in den Ausbau der Erneuerbaren Energien investiert – und einheimische Produzenten von Windrädern und Solarmodulen längst zu Volumenanbietern aufgestiegen sind – profitieren deutsche Hersteller vom China-Boom vor allem bei Know-how-intensiven Komponenten z.B. in der Antriebs- und Steuerungstechnik. In jeder zweiten Windenergieanlage weltweit stecken beispielsweise Komponenten des Elektronikherstellers Semikron aus Nürnberg.

Ausruhen können sich jedoch auch die deutschen Weltmarktführer nicht. Davon zeugt der Fall SMA Solar. Der einstige Alleinherrscher unter den Produzenten von Wechselrichtern für Solarstromanlagen verliert seit Jahren Marktanteile. Insbesondere das explosionsartige Aufkommen von asiatischen Wettbewerbern hat SMA schwer zu schaffen gemacht. Die Reaktion: Kürzlich hat SMA die Übernahme des chinesischen Konkurrenten Zeversolar abgeschlossen. Das Ziel: Mit lokalen Produkten „Zugang zum wichtigsten Solarmarkt der Zukunft“ zu erhalten.

Immer öfter fließen die Gelder jedoch in umgekehrter Richtung: Kapitalstarke Unternehmen aus China kaufen im Ausland die grünen Technologien von morgen ein. Waren noch vor wenigen Jahren nahezu ausschließlich etablierte Technologien und Marken das Ziel der chinesischen Käufer, gehen sie mit ihren Deals jetzt eine Wette auf die Zukunft ein. Denn auch für sie ist die Frage nicht, ob die grüne Revolution kommt – sondern ob sie schnell genug kommt.

Wie chinesische Unternehmen grüne Technologien im Westen kaufen, lesen Sie in meiner nächsten Kolumne bei WiWo Green.

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