Biotechnologie US-Forscher machen leuchtende Pflanzen marktreif

Ein US-Startup verkauft Pflanzen, die von selbst leuchten. Viele halten das für gefährlich.

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Wir schreiben das Jahr 2154, sämtliche Rohstoffe der Erde sind verbraucht. Auf dem fernen Mond Pandora bauen die Menschen aber noch welche ab. Dort leben blaue, menschenähnliche Geschöpfe inmitten einer Pflanzenwelt, die der unseren gleicht – „Avatar“ , einer der finanziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten, ist pure Science-Fiction. Doch ein Detail daraus wird jetzt Realität: leuchtende Pflanzen. Pandora für das Wohnzimmer.

Hinter der Idee steckt eine kühne Vision – und die tiefe Überzeugung von Menschen wie Alex Krichevsky. Der Wissenschaftler und Gründer des US-Startups Bioglow glaubt an eine völlig neue Art der Lichterzeugung. Er hat es abgesehen auf die acht Prozent, die unsere Beleuchtung schätzungsweise zum weltweiten Stromverbrauch beiträgt. Leuchtende Pflanzen sind sein Mittel der Wahl.

Der Weg zu biologischen Straßenlaternen beginnt jetzt. Mit dem „Starlight Avatar“ bringt Bioglow die erste Pflanze auf den Markt, die wie ein Glühwürmchen von allein leuchtet – ohne Sonnenlicht und ohne chemische Zusätze. Basis ist nicotiana alata, eine Art Ziertabak. Die ersten 20 Exemplare versteigert Bioglow jetzt an registrierte Kunden auf seiner Webseite. Sie sollen, wenn vorsichtig behandelt, rund drei Monate halten und leuchten.

Glühwürmhcen-Prinzip im PflanzengenomEs dürfte nicht schwer werden, die Pflanzen teuer zu verkaufen. WiWo Green berichtete im vergangenen April über die „Glowing Plant“, ebenfalls ein Projekt von US-Forschern, die mit einem DNA-Drucker und Software das Genom von Pflanzen programmieren und so kleine Leuchtpflanzen herstellen. Sie warben auf der Crowdfunding-Seite Kickstarter für ihr Projekt – und übertrafen ihr Ziel um mehr als das Siebenfache.

Die Macher der Glowing Plants stützen sich bei ihrer Entwicklung allerdings auf die Forschungsergebnisse von Krichevsky, der als Erfinder der selbstleuchtenden Pflanze gilt. In einem Forschungspapier, das er als Hauptautor 2010 im Fachjournal PLoS One veröffentlichte, stellt er den Prozess dar, mit dem er Teile des genetischen Codes leuchtender Meeresbakterien in Pflanzen einbringen kann – sodass die Pflanze diesen Glühwürmchen-Effekt selbst erzeugt.

“Biolumineszenz” nennen es die Forscher, wenn nein Organismus von allein leuchtet. Pflanzen, die das vermeintlich können, gibt es laut Krichevsky schon rund 20 Jahre. „Man musste diese Pflanzen aber mit Chemikalien besprühen oder mit UV-Licht anleuchten, um einen vorübergehenden und sehr schwachen Leuchteffekt zu erreichen“, sagte er dem US-Magazin Slate. Sein Starlight Avatar leuchte während die gesamten Lebensdauer von allein, sagte er, und gebe diese Fähigkeit auch an nachfolgende Generationen weiter.

Derzeit ist das Licht der Leuchtpflanze noch grün-bläulich und damit recht kühl für das menschliche Empfinden. Bioglow kündigt an, weiter forschen zu wollen und wärmere, rötliche und gelbe Lichttöne zu entwickeln. Ein weiterer Schritt, schreibt das Unternehmen, sei die Programmierung der Leuchtpflanzen, sodass sie bei verschiedenen Umwelteinflüssen ihre Farbe wechseln. Denkbar sei zum Beispiel die Luftverschmutzung in Städten.

Keine Regulierung, keine RisikoaufklärungNun klingt es vielleicht toll, wenn die Forscher künftig pflanzliche Straßenbeleuchtung ankündigen. Aber wer denkt über die Umweltfolgen dieser Anwendung der synthetischen Biologie nach? Diese Frage stellten sich viele, als die „Glowing Plant“ bei Kickstarter so gut ankam.

Der britische Guardian beschrieb, was passiert ist: Das US-Startup Genome Compiler hat Hunderttausende synthetisch-biologisch veränderte Pflanzensamen verschickt – unkontrolliert und unreguliert verstreut in den gesamten USA. Zum ersten Mal überhaupt wurde so ein synthetisch programmierter Organismus einfach so freigelassen.

Kein Wunder, dass sich bereits 116 Organisationen für ein Moratorium auf den Vertrieb synthetischer Organismen ausgesprochen haben. Die Vereinten Nationen haben Staaten aufgefordert, das Vorsorgeprinzip einzuhalten, weil die Folgen nicht abschätzbar seien. Auch die Versicherungsindustrie sei alarmiert, schreibt der Guardian.

„Wir sind uns sehr bewusst, was wir da tun“, sagte Anthony Evans, der Mann hinter „Glowing Plant“, der New York Times. Laut Guardian seien die Leuchtpflanzen ein gute Beispiel für das Vorgehen der Biotech-Industrie: Erst einmal Produkte einführen, von denen noch keiner weiß, welche Folgen sie haben, bevor sie jemand regulieren kann.

Kickstarter hat auf den Streit um die Leuchtpflanzen reagiert: Seit dem Sommer verbieten es die Richtlinien der Crowdfunding-Seite, genetisch veränderte Organismen als Belohnung anzubieten.

Bioglow kommt offensichtlich auch ganz gut ohne Crowdfunding aus. Ein Hinweis auf Risiken und Unklarheiten fehlt auf der Webseite des Unternehmens völlig.

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