Architektur Stroh offiziell als Baustoff zugelassen

Stroh dämmt Gebäude sehr viel besser als Kunststoffe. Jetzt ist es auch offiziell als Baustoff zugelassen.

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Strohballen, in Quaderform gepresst, halten eine Menge Druck aus. Wegen dieser durchaus überraschenden Eigenschaft dienten sie zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und den 1940er Jahren in Nordamerika als überdimensionale Ziegel, aus denen Häuser gebaut wurden.

Wie Mauerwerk verputzten sie die Handwerker außen und innen. Damit lösten die findigen Amerikaner nicht nur das Problem fehlenden Baumaterials, sie schufen auch vorzüglich wärmegedämmten Wohnraum.

Bauaufsicht gibt grünes LichtJetzt könnte das Naturmaterial auch in Deutschland zum begehrten Baustoff werden. Das Deutsche Institut für Bautechnik in Berlin hat Strohballen kürzlich die Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung erteilt. Architekten und Bauherren können sie jetzt genauso einsetzen wie einst in den USA, denn die Zulassung erlaubt auch das direkte Verputzen des Strohs.

Aber dass Häuser tatsächlich wieder durch Aufeinanderstapeln von Strohballen gebaut werden, dürfte die Ausnahme bleiben. Wahrscheinlicher ist die Fachwerktechnik, die es seit Jahrhunderten gibt. Statt mit einem Lehm-Stroh-Gemisch füllen die Baumeister die Gefache, also die Zwischenräume zwischen den tragenden Balken, mit gepresstem Stroh.

Unternehmen können die Ballen auch industriell fertigen und bereits verputzt zur Baustelle liefern, sodass sie wie Fertigelemente einfach in die Gefache passen. Das Norddeutsche Zentrum für Nachhaltiges Bauen (NZNB) in Verden an der Aller demonstriert diese Bauweise anhand eines fünfstöckigen Ausstellungs- und Bürogebäudes, das kurz vor der Fertigstellung steht.

Die Dämmeigenschaften von Stroh sind dabei phänomenal. Eine 36 Zentimeter dicke Strohwand, die mit Lehm verputzt ist, hat laut einer Forschungsarbeit von Ole Hemke an der Technischen Universität Berlin einen Wärmedurchgangskoeffizienten von weniger als 0,2 Watt pro Quadratmeter und Kelvin, das ist ein Achtzehntel des Werts einer 17,5 Zentimeter dicken Ziegelwand, die mit 12,5 Zentimeter dicken Schaumstoffplatten gedämmt ist.

Strohballenbau bisher nur mit EinzelgenehmigungBisher befürchteten potenzielle Nutzer des Baumaterials Stroh Feuchtigkeitseinbrüche, Zerstörung durch Nagetiere oder erhöhte Feuergefahr. Nichts davon ist richtig, wie die bautechnischen Nachweise des Fachverbands Strohballenbau zeigten, die zur Zulassung führten.

In Deutschland gibt es derzeit gut 200 Gebäude aus Strohballen. Wegen der fehlenden allgemeinen Zulassung waren dazu Einzelgenehmigungen nötig. Eines dieser Häuser steht im Ökodorf Sieben Linden in Sachsen-Anhalt, wie das Magazin „Greenhome“ berichtet. Die naturnahen Bewohner nennen es liebevoll „Libelle“.

Stroh ist nicht nur für Neubauten geeignet, sondern auch für die nachträgliche Wärmedämmung. Das Schweriner Unternehmen Schelfbauhütte hat dafür Module entwickelt, die sich wie Schaumplatten an Fassaden befestigen lassen. In den nächsten Jahren sollen auf dem Gelände der „Alten Brauerei“ in der mecklenburg-vorpommerschen Landeshauptstadt 25.000 Quadratmeter Fassaden und Dächer mit Stroh gedämmt werden.

Die dazu nötigen 66.000 Ballen stammen von Landwirten aus dem Umland. Weil sie das Dämmmaterial praktisch überall produzieren, ist es kostengünstiger als synthetisches Material. Marktpreise haben sich allerdings noch nicht gebildet. Wegen des hohen Anteils an handwerklicher Leistung ist ein Strohballenhaus derzeit aber noch teurer als ein konventionell gebautes.

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